Ungleiche Paare – Wie solche Beziehungen halten


Paar
Manche Paare sehen so unterschiedlich aus, dass sie in der Öffentlichkeit häufig anecken. © Imago/Blickwinkel


Er ist ein gut aussehender sportlicher Typ und sie ist das ganze Gegenteil davon. Oder sie ist 1,85 Meter gross mit Modelmassen und er ist kleinwüchsig und dicklich. Sehen Paare sehr unterschiedlich aus, ziehen sie häufig die Blicke auf sich. Nicht selten ernten sie auch hämische Kommentare.

"Was will die denn mit dem Fettsack?", heisst es dann. Oder: "Der alte Greis hat sicher Geld, sonst wäre die doch niemals mit dem zusammen." Gefeit vor den Vorurteilen ist so gut wie niemand.

Das sei normal, sagt Dietmar Bittrich, der ein Buch über ungleiche Paare geschrieben hat. "Wir erwarten Harmonie, das ist eine grundsätzliche Sehnsucht." Ausdrücke wie "die andere Hälfte" verdeutlichen das Streben nach Harmonie: "Damit wird ausgedrückt, dass die Hälfte nicht so anders sein kann", erklärt Bittrich.

Menschen suchen sich ähnlich attraktive Partner

Wissenschaftliche Studien hätten sogar belegt, dass Menschen sich ähnlich attraktive Partner suchten, erklärt der Paartherapeut Rüdiger Wacker. Ungleiche Paare seien – gemessen an den Alltagserfahrungen der meisten – nicht die Regel. Und deshalb schauen viele Menschen hin.

Für die Paare selbst kann das unangenehm sein. Ständig spüren sie Blicke, im schlimmsten Fall kommen noch Kommentare hinzu. "Man sollte sich nicht in Rechtfertigungsdruck bringen lassen", rät Wacker.

Das gilt ganz besonders für die Fremden auf der Strasse. "Wenn man etwas erklärt, ist man sofort in einer geschwächten Position", findet auch Brigitte Brandstötter, die sich in einem Buch vor allem auf die Konstellation Frauen mit jüngerem Partner konzentriert hat.

Kontern, nicht rechtfertigen

Gegenüber der Aussenwelt gilt deshalb: ignorieren oder kontern, aber keinesfalls rechtfertigen. "Da kann man nicht anfangen zu diskutieren", sagt Bittrich. Für das Kontern empfehlen die Experten, sich als Paar gemeinsam ein paar Sprüche zu überlegen.

Und sie müssen verstehen: Die Blicke und Kommentare gründen auf einem Problem der anderen, einem falschen Vorurteil. Sie gehen von einem Merkmal aus – der Optik – und schlussfolgern daraus, dass auch der Rest nicht passt, erklärt Wacker.

Dabei lasse sich vom Äusseren nicht auf irgendetwas anderes schliessen. Neben den Sprüchen zum Kontern können die ungleichen Partner auch noch physisch demonstrieren, dass sie zusammengehören – und zum Beispiel Arm in Arm gehen.

Rat von Freunden muss man nicht annehmen

Bei den Freunden ist die Lage wieder etwas anders. Von ihnen können sich die Partner anhören, was sie zu sagen haben – darauf eingehen müssen sie deshalb aber nicht.

Das Einmischen von Freunden und Familie ist ausserdem kein Phänomen von optisch ungleichen Paaren: "Was mache ich grundsätzlich damit, wenn Menschen mich in der Partnerschaft beraten wollen?", fragt Wacker. Seine Sichtweise darauf: Da ist jemand, der hat einen Rat für mich, den muss ich aber nicht annehmen, wenn ich nicht will.

Probleme entstehen erst dann, wenn sich die ständigen Zweifel von aussen ("Die passen aber nicht zusammen!") in die Beziehung schleichen. "Niemand ist unabhängig von den Urteilen anderer", sagt Bittrich. "Wenn Risse da sind, werden sie zu Spalten vertieft."

Balance zwischen Unterschieden und Gemeinsamkeiten

Bestehen bei einem Partner also ohnehin schon Selbstzweifel, können sie durch die wahrgenommene öffentliche Ablehnung gefördert werden. Daraus resultieren beispielsweise Minderwertigkeitsgefühle gegenüber dem Partner.

Helfen kann hier nur, was banal klingt: reden. Im Gespräch müssen die Partner einander deutlich machen, was sie am anderen wertschätzen – und dazu können insbesondere die Unterschiede zählen. Wichtig sei, zwischen Unterschieden und Gemeinsamkeiten eine Balance zu halten, sagt Wacker. Der von aussen so stark wahrgenommene optische Unterschied ist dann nur ein Punkt von vielen.

Brandstötter spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Austausch an Ressourcen. "Jeder bringt etwas mit, was für den anderen attraktiv ist." Und genau das müsse man sich gegenseitig bestätigen, damit die Zweifel von aussen nicht zu Selbstzweifeln werden. "Anderssein hat natürlich einen gewissen Preis, kann aber auch eine gewisse Stärke zeigen", sagt Wacker.

Erotische Anziehung resultiert aus Gegensätzen

Ein Vorteil der Unterschiede: Sie können erotischer wirken, sagt Bittrich. "Die erotische Anziehung kommt aus den Gegensätzen, die Haltbarkeit kommt aus der Gleichheit." Wichtig sei, dass Einstellungen und Lebensstil weitgehend harmonieren. Letztlich trete die Optik neben Faktoren wie Weltanschauung und Humor in den Hintergrund.

Und auch die Aussenwahrnehmung wird mit der Zeit weniger bedeutsam. Die Blicke der anderen seien am Anfang am schwierigsten, beschreibt Bittrich. Dann gewöhnt sich das Paar daran.

"Das ist natürliches Wachstum." Im besten Fall kommen Paare irgendwann an den Punkt, an dem sie über die Vorurteile der anderen lachen können – und das steigere wiederum das Selbstbewusstsein der Partner.

© DIE WELT

Open all references in tabs: [1 - 3]

Leave a Reply