. . . und schon ist der Konflikt beseitigt

26.10.2015 | 10:00 | 

Andrea Lehky (Die Presse)

Psychologie. A will etwas erreichen, B blockiert. Also sucht A Verbündete. B tut dasselbe. Resultat ist eine Pattstellung ohne Ausweg. Wie Konflikte entstehen und – noch wichtiger – wie man sie löst. Mit Varianten für Konstruktive und für Taktierer.

Es gebe nur eine Handvoll Gründe für Konflikte, sagt Managementberaterin Claudia Daeubner. Allen voran Ängste: Verlust- und Versagensängste, Angst um Status und Macht – sowohl, sie zu verlieren als auch, sie nicht zu bekommen.

Die anderen Konfliktgründe sind ebenfalls wohlvertraut: unterschiedliche Werte, Interessen, Sichtweisen, Ausgangspunkte und Persönlichkeiten. Auf Unternehmensebene sind es unterschiedliche Kulturen (etwa nach Fusionen), Organisationsstrukturen (Matrix) und das Entlohungsdesign.

Wie Konflikte entstehen

Die meisten Streitereien beginnen latent: A will etwas, B blockiert. Noch haben die beiden nur unterschiedliche Meinungen zu einem Sachthema.

Doch früher oder später kühlt auch ihre Beziehung ab (schlimm, wenn sich die beiden schon vorher nicht leiden konnten). Man redet nicht mehr miteinander, meidet gemeinsame Meetings, der Informationsfluss stockt.

Nun treten vier Mechanismen in Kraft.

► Die eigene subjektive Meinung wird für objektiv erklärt.

► Der empfundene Druck wird durch eigenen Druck verstärkt.

► Man setzt das negative Handeln des anderen voraus und bezieht daraus die Legitimation, selbst negativ handeln zu dürfen.

► Man projiziert auf den anderen und sieht seine Aktionen durch eine besonders dunkle Brille.

Offen oder verdeckt

In Österreich neige man dazu, Konflikte verdeckt auszutragen, sagt Daeubner: „Dann kann man später alles leichter unter den Teppich kehren.“

Beliebt sind aber auch offene Attacken nach vorn und heimliche Intrigen nach hinten: „Wir Österreicher sind Gesichtswahrer. Wir wollen sowohl das eigene als auch das fremde Gesicht wahren. Deshalb reden wir lieber hinter dem Rücken des anderen.“

Unsere deutschen Kollegen bevorzugen die Attacke nach vorn, untermalt von passender Kampfrhetorik: „Sie sagen einem schonungslos die Meinung ins Gesicht.“

Die Konsequenzen sind vorhersehbar: Entweder beide suchen sich Verbündete, was letztlich in einer Pattstellung mündet. Oder einer gewinnt, und der andere verliert, was früher oder später dessen Rache nach sich zieht.

Exit so früh wie möglich

Klug, wer seine Emotionen im Griff hat und den Überblick bewahrt. Schwelt der Konflikt noch auf der Sachebene, gilt ein „Einigen wir uns darauf, hier uneinig zu sein“ als erstes konstruktives Friedensangebot. Spricht man dann auch noch Respekt und Wertschätzung aus, steht der gemeinsamen Lösungsfindung nichts mehr im Weg.

Hat der Konflikt aber schon die Beziehungsebene erreicht, schwört Daeubner auf ein konstruktives Businessdinner: „Man verlässt das übliche Revier und hebt mit dem Essen den Blutzuckerspiegel. Das erleichtert schwierige Gespräche.“

Denn nun ist ein Schritt notwendig, der Managern sehr schwerfällt: Sie müssen Gefühle an- und aussprechen („Ich verstehe nur zu gut, dass Sie irritiert sind, weil . . .“). Es greift zu kurz, den Konflikt nur rational zu adressieren. Erst muss die Beziehungsebene gereinigt werden, dann kann man sich auf die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner machen. Dabei hilft, sich in die Lage des anderen zu versetzen und ihm seine Vorteile aufzuzeigen. „Was wäre wenn . . .?“-Fragen leisten hier hervorragende Dienste.

Ist der Konflikt schon zu weit auf der persönlichen Ebene fortgeschritten, müssen Dritte beigezogen werden. Auch sie haben zuerst die Beziehung zu klären, sonst würden alle Spielregeln später wieder gebrochen werden.

Variante für Taktierer

Wer die offene Aussprache scheut, wird an dieser, in Vorstandskreisen sehr beliebten Variante mehr Freude haben: A sucht sich einen ebenbürtigen Verbündeten mit gleichen Interessen und gewinnt ihn dafür, unbeteiligte einflussreiche Zaungäste zu aktivieren. Das ist etwa der Aufsichtsrat, dessen Wohlwollen gern auch mit Zugeständnissen in anderer Sache errungen wird. Gemeinsam überstimmt man nun B und verhindert damit die lästige Pattstellung.

Der Sieg hat allerdings seinen Preis: A darf ihn keinesfalls breit verkünden und B als Verlierer dastehen lassen. Und er muss ihm bei nächster Gelegenheit mindestens doppelt so wertvolle Zugeständnisse machen: Sonst hat er zwar die Schlacht gewonnen, aber auch einen lebenslangen Feind.

Die Harvard-Absolventin Claudia Daeubner ist Mitglied der American Society for Training and Development (ASTD). Seit 1999 coacht sie Executives rund um den Globus. [ Stephan Bako ]

[LIZ74]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2015)

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