Übermaß an Arbeit ist ungesund

Ein Arbeitsausmaß jenseits der 40-Stunden-Woche, Stress und wenig planbare Arbeitszeiten schaden nicht nur dem sozialen Leben, sondern wirken sich oft negativ auf die Gesundheit aus. Studien zeigen, dass mit zunehmender Wochenarbeitszeit Magenschmerzen und Schlafstörungen häufiger werden. Zu den gesundheitlichen Gefährdungen durch übermäßige Arbeitsbelastung bzw. präventiven Maßnahmen forschen Arbeitsmediziner und -psychologen. Das WirtschaftsBlatt mit zwei Vertreterinnen dieser Disziplinen über Pausengestaltung, Sonntagsarbeit und altersgerechte Arbeit gesprochen.


WirtschaftsBlatt: Thema Sonntagsöffnung: Ist der Erholungswert eines
freien Tages unter der Woche vergleichbar mit Wochenenden?

Anna Wirtz: Die Freizeit hat einen unterschiedlichen Nutzwert. So
kann man die meisten sozialen Aktivitäten an den Abenden oder am
Wochenende ausführen. Generell wird der Freizeitnutzen am Wochen
ende, speziell am Sonntag, höher bewertet als an Wochentagen. In der
Gesellschaft hat sich ein soziales Muster gebildet. Die Wochenenden
nutzt man mit Familie und Freunden oder engagiert sich in Vereinen.
Durch Arbeit an solchen Tagen geht mehr soziale Zeit verloren als an
einem Wochentag.

Steigt durch Sonntagsarbeit die Belastung für Arbeitnehmer?

Wenn man Menschen nach ihrer Work-Life-Balance fragt, inwieweit sich
Arbeitszeit mit privaten Interessen vereinbaren lässt, dann schätzen
sie Arbeit am Sonntag sehr oft als belastend ein.

Wie können sich flexible Arbeitszeiten auf den Arbeitnehmer
auswirken?

Falls Planbarkeit fehlt, hat das meiner Meinung nach Einfluss auf
psychische Beeinträchtigungen. Wenn der Chef anruft und zur Arbeit
ruft, hat man seine Zeit oft anderweitig verplant, beziehungsweise
Eltern müssen dann Kinderbetreuung organisieren. Es führt zu Stress
und zu gesundheitlichen Beschwerden, wenn das oft passiert.

Ist es möglich, bei flexiblen Arbeitszeiten vorauszuplanen?

Flexibilität ist gut planbar, wenn man sich überlegt, wann die größte
Auslastung sein muss. Viele Unternehmen können aus dieser Erfahrung
vorausplanen. So wissen etwa Callcenter, zu welcher Stunde viele
Anrufe eingehen. Abweichungen können passieren, aber die
Grundauslastung lässt sich personaltechnisch planen. Diese
Verantwortung liegt bei den Betrieben.

Wie kann man die Arbeitskraft bis ins hohe Alter erhalten?

Die Gesamtbelastung soll so gewählt werden, dass man langfristig
gesund arbeiten kann. Das heißt, nicht erst bei Über-50-Jährigen zu
beginnen, sie weniger arbeiten zu lassen. Ich spreche von
altersgerechten und nicht altersgerechten Arbeitssystemen. Auch wenn
junge Menschen bestimmte Arbeitsbedingungen eine Zeit lang gut
aushalten können, heißt das nicht, dass man ihnen alles aufbürden
darf und Ältere von anstrengenden Bereichen fernhalten sollte.

ZUR PERSON

Anna Wirtz absolvierte ihr Psychologie-Doktoratsstudium an der
Universität in Oldenburg (D) und forscht derzeit an der Harvard
School of Public Health in Boston. Sie untersucht u. a.
gesundheitliche und soziale Folgen von langen, flexiblen und
irregulären Arbeitszeiten.

WirtschaftsBlatt: Was macht eine gesunde Arbeitszeit aus?

Christine Klien: Gesunde Arbeit hängt von verschiedenen Faktoren ab -
etwa von der Tageszeit, vom Ausmaß der Arbeitszeit sowie der
Belastung. Arbeitsbelastung ist nicht für jeden Menschen gleich und
hängt auch mit den Arbeitsinhalten zusammen. Zu lange Arbeitszeiten
haben einen schlechten Einfluss auf die Gesundheit.

Das Pensionsantrittsalter wird immer höher. Wie sieht es mit der
Arbeitsbelastung von älteren Menschen aus?

Was sich sicher mit dem Alter verändert, ist die Beanspruchbarkeit
von Menschen mit bestimmten Belastungen. Schnelligkeit und
Informationserfassung können im Alter etwas nachlassen. Dafür hat man
andere Qualitäten, wie etwa mehr Routine sowie Überblicksdenken und
Gelassenheit. Unfälle passieren häufiger bei jungen Mitarbeitern,
denen oft noch Erfahrung fehlt.

Wie kann die Pausengestaltung optimiert werden?

Nach sechs Stunden Arbeit gibt es laut Arbeitszeitgesetz eine halbe
Stunde Pause. Es ist psychologisch wichtig, aber auch schwierig,
Pausen früh genug zu machen, nicht erst, wenn man erschöpft ist. Dazu
braucht man Erfahrung mit sich selbst. Bei jeder Arbeit darf man sich
selbst nicht vergessen, um festzustellen, wann und ob eine kurze
Erholung notwendig ist. Das muss nicht lang sein, sondern kann auch
ein Blick aus dem Fenster oder ein Gespräch sein.

Smartphone, BlackBerry und Co. sorgen für permanente Erreichbarkeit
von Beschäftigten auch in der Freizeit. Wozu führt das?

Es ist verführerisch, in der Arbeitszeit für das Private ständig
erreichbar zu sein und umgekehrt -aber das geht einfach nicht. Das
Hirn braucht genauso Ruhephasen wie der Körper.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer hat kürzlich gesagt, dass
Österreich ein Spitzenreiter im Überstundenmachen ist. Warum ist so
viel Mehrarbeit notwendig?

Das ist unterschiedlich. Bei den einen mag das Geld eine Rolle
spielen, bei anderen der Arbeitgeber oder auch Überengagement. Aber
diese anfängliche Freude an der Arbeit, etwa bei Projektarbeit, kann
dazu führen, dass man nicht merkt, wann es zu viel ist. Begeisterung
und Engagement sind toll, aber man muss achtsam mit sich selbst
umgehen.

ZUR PERSON

Christine Klien ist Geschäftsführerin der "ameco Health
Professionals". Die Arbeitsmedizinerin leitet zudem die
Österreichische Gesellschaft für Arbeitsmedizin. Diese erforscht
arbeitsbedingte gesundheitliche Gefährdungen, um vorbeugende
Maßnahmen zu entwickeln.

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