Touristen kämpfen mit der Höhenkrankheit

Touristen kämpfen mit der Höhenkrankheit

Von Hans Heimann.
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Im Stationsbüro auf dem Jungfraujoch auf 3454 Meter über Meer wird täglich nach medizinischer Hilfe gefragt. Dort ist man gerüstet – nicht nur mit Medizin.

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Mamoru Kumamoto aus Japan leidet unter Atembeschwerden. Ihr Mann Ayami vermutet, dass sie etwas zu schnell durch die Schweiz reisen.

Hans Heimann


Laut Fahrdienstleiter Hansruedi Fischer handelt es sich meistens um Kopfschmerzen, Übelkeit, und nicht selten muss sich jemand übergeben. Gerade hat er einem sich unwohl fühlenden Inder mit dem Pulsoximeter die Sauerstoffsättigung im Blut gemessen. «Alles okay!», ermuntert der Bahnangestellte den Inder mit einem Schulterklopfen. Dieser scheint sich kurz danach sichtbar besser zu fühlen.

«Wir empfehlen, bei Unwohlsein sich zu setzen und viel Wasser zu trinken», sagt Fischer, während er die Türe zum Sanitätszimmer öffnet. Dieses ist unter anderem mit einem Liegebett, Sauerstoffflaschen und einem Defibrillator ausgestattet. Im Medikamentenschrank liegt ein Notfallkoffer bereit, der nur von einem Arzt benutzt werden darf. Wäre im Notfall per Lautsprecherdurchsage unter den Besuchern kein Arzt anwesend, würde dieser entweder per Bahn oder Helikopter aus dem Tal anreisen.

Für Notfälle gerüstet

Auch die Japanerin Mamoru Kumamoto hat Atembeschwerden und fühlt sich schlecht. Ihr Mann Ayami sitzt etwas hilflos neben ihr und meint: «Wir waren gestern auf dem Klein-Matterhorn in Zermatt. Vielleicht sind wir etwas zu schnell unterwegs.» Die Frage, ob er die medizinischen Tipps der Jungfraubahnen auf deren Website gelesen habe, beantwortet ein koreanischer Reiseleiter grinsend mit «No, no time» (nein, keine Zeit).Hätte er diese Tipps gelesen, würde er unter anderem seiner Gruppe raten, langsamer zu laufen, tiefer einzuatmen und mehr Wasser zu trinken.

Nebst diesen schriftlichen Hinweisen befinden sich an vielen den Gästen zugänglichen Stellen rote Hilfetasten, beschreibt Patrizia Pulfer am Telefon eine der Notfallvorkehrungen seitens der Bahn. «Somit sind unsere Bahnangestellten jederzeit überall abrufbar und können sofort mit einem Erste-Hilfe-Rucksack ausrücken. Auch werden unsere Angestellten immer wieder vom Arzt Bruno Durrer aus Lauterbrunnen in Erster Hilfe weitergebildet», erläutert die Mediensprecherin das Vorgehen bei medizinischen Notfällen.

Kein Problem für Chinesen

Kenny Tsang führt seine achtköpfige chinesische Gruppe weiter auf die Sphinx. Nicht nur wegen des windigen Wetters ist der Aufenthalt auf der Aussichtsplattform kurz. Ihnen bleiben nur 90 Minuten Zeit. Schnell beantwortet der Reiseleiter die Frage nach der Höhentauglichkeit seiner Gruppe: «Kein Problem. Wir sind uns das gewöhnt, wir haben schliesslich in China die höchsten Berge der Welt!»

Im Sphinxlift hält sich dagegen ein Koreaner mit beiden Händen den Kopf, sein Lächeln ist einem schmerzverzerrten Gesichtsausdruck gewichen. «Oberhalb 3000 Metern über Meer wird es gefährlich. Ab dieser Höhe sollte man höchstens 300 bis 600 Meter pro Tag aufsteigen, um nicht an einem Hirnödem zu erkranken», erläutert der Arzt Marc Müller aus Grindelwald eine wichtige Regel. «So hätte eine Fahrt in der vor fünf Jahren geplanten, aber nicht realisierten Schnellverbindung von Lauterbrunnen aufs Jungfraujoch ein grosses gesundheitliches Risiko für die Fahrgäste dargestellt.»

In nur 20 Minuten wären 2600 Höhenmeter überwunden worden. Kein erhöhtes gesundheitliches Risiko für die Passagiere sähe der Allgemeinmediziner beim V-Bahn-Projekt: «Die Gäste würden zwar schneller zum Eigergletscher transportiert, aber diese Station liegt ‹nur› auf 2322 Metern.»

Neues Reinigungsmittel

Einem in Interlaken wohnhaften Reiseleiter, der nicht mit Namen genannt werden möchte, ist aufgefallen, dass sich in letzter Zeit besonders nach dem Mittag vermehrt Besucher übergeben müssen. Darauf angesprochen, meint Martin Soche, Leiter Gastronomie Jungfraujoch und Eigergletscher, dass auch das Wetter eine Rolle spiele: «Bei ‹Kampfwetter›, damit meine ich den Föhn, kann es schon vorkommen, dass sich einer unserer täglich bis zu 2300 essenden Gäste übergeben muss. Dies geschieht jedoch selten im Restaurant, da ist die Hemmschwelle zu gross, wohl aber auf dem Weg zur Toilette. Und wenn der zu lang ist, wird unsere Putzequipe per Telefon zur Reinigung avisiert.»

Auch bei der Bahnstation sind täglich drei Personen für die Reinigung eingeteilt. Ein neues Mittel in Pulverform eines französischen Herstellers erleichtert ihnen nun das Reinigen. Liegt irgendwo eine «Pizza» (interne Bezeichnung für Erbrochenes) wird dieses Putzmittel darüber gestreut, das Ganze geliert innert Sekunden, neutralisiert sofort den schlechten Geruch und lässt sich einfach wegputzen. (Berner Zeitung)

Erstellt: 26.07.2013, 08:38 Uhr


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