Die Zahl der Menschen mit Diagnose Depression steigt - und entwickelt sich zu einem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problem. Von 2000 bis 2013 nahmen die Fehlzeiten in Unternehmen aufgrund von Depressionen um fast 70 Prozent zu.
Zugleich stieg der Anteil der Erwerbspersonen, die Antidepressiva verschrieben bekamen, um ein Drittel auf sechs Prozent. Dies geht aus dem Depressionsatlas 2015 hervor, den die Techniker Krankenkasse (TK) am Mittwoch in Berlin vorgestellt hat.
Im Verhältnis zu Erkältungen oder Rückenbeschwerden würden mit 1,6 Prozent zwar wesentlich weniger Menschen aufgrund von Depressionen krankgeschrieben. Die es treffe, fielen aber sehr lange aus - im Durchschnitt 64 Tage, erläuterte TK-Vorstandschef Jens Baas. Für ein Unternehmen mit 250 Mitarbeitern bedeute dies, dass vier Beschäftigte gut zwei Monate im Jahr fehlten.
Berufe mit hohem Stresslevel
Insgesamt summieren sich die Produktionsausfälle durch Fehltage laut Studie auf rund vier Milliarden Euro, hochgerechnet auf alle Arbeitnehmer für das Jahr 2013. Von einer „Volkskrankheit“ könne man zwar nicht mit Blick auf die Zahl der Betroffenen sprechen - wohl aber, was die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen angehe, sagte Baas.
Betroffen seien vor allem Berufe mit hohem Stresslevel und großer psychischer Belastung. So gebe es in Callcentern durchschnittlich 2,8 Fehltage, in der Altenpflege 2,5, in Erziehungs- 1,6 und in Sicherheitsberufen 1,4 Fehltage.
Frauen fehlen der Studie zufolge durchschnittlich 1,3 Tage wegen Depressionen, Männer durchschnittlich 0,8 Tage. Mit dem Alter nehmen die Fehlzeiten demnach deutlich zu - erst mit 60 Jahren seien die Werte wieder rückläufig.
Anhaltend gedrückte Stimmung
Als Depression im medizinischen Sinn gelten nicht die depressiven Verstimmungen, die etliche Menschen zeitweise haben. Zu den vielfältigen Symptomen der psychischen Erkrankung zählen eine anhaltend gedrückte Stimmung, eine Hemmung von Antrieb und Denken und ein Interessenverlust, hinzu kommen variierende körperliche Symptome.
Bundesweit nach Regionen betrachtet ergibt sich für die Autoren ein sehr „buntes Bild“: Es lasse sich bis zu einem gewissen Grad ein Nord-Süd-Gefälle bei den Fehlzeiten (im Norden mehr, im Süden weniger) und ein Ost-West-Gefälle (im Osten weniger, im Westen mehr) bei der Verordnung von Antidepressiva beobachten. Allerdings stelle man auch fest, dass sich die Regionen annäherten.
Nicht jede Depression eine Krankschreibung
Die höchsten Fehlzeiten gebe es in Merzig-Wadern im Saarland mit durchschnittlich 1,7 Fehltagen pro Kopf sowie unter anderem in Lübeck, Neumünster, Bad Segeberg, Duisburg, Gelsenkirchen, Herne und Bielefeld (mit jeweils 1,6).
In guter seelischer Verfassung sind die Menschen der Studie zufolge im thüringischen Greiz mit 0,2 sowie im oberfränkischen Kulmbach mit 0,3 depressionsbedingten Fehltagen.
Diese Fehltageübersicht zeige jedoch nur zum Teil, wie psychisch belastet die jeweilige Region sei. Denn nicht jede Depression führe zu einer Krankschreibung. Beziehe man die Verordnungen von Antidepressiva mit ein, stelle man fest, dass Regionen mit unterdurchschnittlichen Fehlzeiten relativ hohe Verordnungsraten aufwiesen.
So würden die Kulmbacher zwar 70 Prozent weniger depressionsbedingt krankgeschrieben als der Bundesdurchschnitt. Aber auch hier bekämen 5,5 Prozent der Erwerbspersonen Antidepressiva verschrieben (bei einem deutschlandweiten Mittelwert von an die sechs Prozent). (dpa)
1. Was genau ist eine Depression?
Jedenfalls nicht „das Traurigsein, das Bedrücktsein, das wir aus dem Alltag kennen“, sagt Prof. Ulrich Hegerl. Und auch nicht die Melancholie oder Herbstdepression. Der Mediziner von der Universität Leipzig beschreibt die Krankheit vielmehr als „hässlichen, kalten Zustand“, verbunden mit dem Gefühl, dass „die Luft raus“ ist. Dazu zeigt er das Bild eines aufblasbaren Plastikkrokodils, das schlaff am Boden liegt.
Foto: dpa