Tinder, Happn, OKCupid – Die Liebe in den Zeiten von Dating-Apps

Fluch oder Segen? Die neuen Dating-Apps erleichtern das Kennenlernen von möglichen Partnern - gerade für Schüchterne. Denn da gibt es Dates im Überfluss. Allerdings sollte man beim Flirten per App einiges beachten - Experten geben Tipps.

Mit einer Weinflasche in der Hand stand Emma Gruber* etwas nervös am Berliner Landwehrkanal. Sie war verabredet - doch mit wem, wusste sie nicht so genau. Was sie wusste: Er mag guten Wein und ist 32 Jahre alt. Ein Foto von ihm hatte sie auch schon gesehen. Kennengelernt hat die 25-Jährige den jungen Mann über OKCupid, eine Dating-Plattform im Internet, die es auch als App gibt. Gruber wusste außerdem, dass sie und ihre Verabredung zu 95 Prozent miteinander matchen - zusammenpassen also.

Tinder: Mit einem Wisch ist der potenzielle Partner weg

Im vergangenen Jahr sind Dating Apps populär geworden. Kaum einer, der nicht schon mal mit dem Smartphone nach der großen Liebe gesucht hat - oder zumindest darüber nachdenkt. Das Prinzip ist immer ähnlich: Apps wie Tinder, Happn oder Lovoo funktionieren standortbasiert. Je nach App kann man einen kleinen Steckbrief anlegen und Menschen in der Nähe kennenlernen.

Bei Tinder etwa sieht man zunächst nur die Fotos potenzieller Partner: Wer das Foto mit dem Finger nach links wischt, verschmäht das Angebot, wer nach rechts wischt, möchte den anderen näher kennenlernen. Nur wenn beide Partner das Foto des jeweils anderen nach rechts wischen, kommt es zu einem Match - sie können miteinander chatten.

OKCupid: „Glaubst du, Frauen haben die Pflicht, sich die Beine zu rasieren?“

Bei OKCupid hingegen beantworten Nutzer Fragen wie „Glaubst du, Frauen haben die Pflicht, sich die Beine zu rasieren?“ oder „Ist Sex vor der Ehe eine Sünde?“. Die App berechnet dann anhand der Antworten, wie gut zwei Nutzer zusammenpassen. „Das fand ich spannend, das wollte ich einfach mal ausprobieren“, sagt Gruber.

Apps eignen sich besonders für Schüchterne

Beziehungscoach Dominik Borde findet, die Apps eignen sich besonders für schüchterne Leute. „Immerhin weiß man, dass der andere auch auf der Suche ist und vermutlich keinen Partner hat.“ So wird man weniger mit Ablehnung konfrontiert, muss niemanden auf offener Straße ansprechen.

Im echten Leben wird kaum noch geflirtet

Er beobachtet, dass im echten Leben - also offline - kaum noch geflirtet wird. Auch Gruber hätte ohne App in so kurzer Zeit niemals so viele Verabredungen gehabt. Es blieb nicht bei dem jungen Mann am Landwehrkanal - es folgten viele weitere Dates, gute und schlechte. „Im echten Leben, also ohne App, wäre ich bei manchen vielleicht länger dran geblieben, hätte der Sache eine Chance gegeben.“ So galt meist schnell: der Nächste bitte.

Menschen bekommen Schnäppchencharakter

„Menschen werden zur Ware, bekommen einen Schnäppchencharakter“, sagt Paartherapeut Rüdiger Wacker. Und das hat Einfluss auf die Partnersuche: Warum mit dem Erstbesten zufriedengeben? Das Angebot ist schließlich fast unendlich. Wir glauben dann, es kann immer noch jemand Besseren geben - die Dating-App ist wie Netz und doppelter Boden, eine Absicherung. „Und Apps wie Tinder lassen keine Chance für den zweiten Eindruck“, erklärt Borde.

Unterschiede, die interessant machen, bleiben außen vor

Deshalb hat sich auch Gruber gegen diese App entschieden. „Da weißt du ja überhaupt nichts über den anderen, nur wie er aussieht“, sagt sie. Ihr war es wichtig, welche Angaben jemand auf seinem Dating-Profil macht und wie hoch der sogenannte Matching-Score war. „Unter 80 Prozent habe ich niemanden getroffen.“ Darin sieht Paartherapeut Wacker eine Gefahr: „Wasserstoff und Sauerstoff sind sich vielleicht gar nicht so ähnlich“, sagt er. Sie wären von der App womöglich nie gematcht worden. „Trotzdem ergeben sie gemeinsam Wasser.“ Manchmal sind es auch die Unterschiede, die jemand anderen interessant machen.

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