Technik menschengerecht gestalten

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03.07.2012, 11:10 | Wissenschaft | Autor: idw | 0 Kommentare



Am Institut für Mensch-Computer-Medien der Universität Würzburg wurde der neue Lehrstuhl für Psychologische Ergonomie eingerichtet. Seit diesem Sommersemester ist er mit Professor Jörn Hurtienne (37) besetzt. Der Psychologe war zuletzt in Berlin tätig.

Im Fach Ergonomie geht es darum, Arbeitsbedingungen für den Menschen so gut wie möglich zu gestalten. Ein Schwerpunkt in der Forschung von Jörn Hurtienne liegt auf dem nutzergerechten Design von Technik. Dabei geht es unter anderem um die Frage, wie Webseiten, Buchhaltungssysteme oder Mobiltelefone beschaffen sein sollten, damit Nutzer sie intuitiv bedienen können.

Beispiel: Wichtige Anwendungen sollten auf den Displays von Smartphones und anderen Geräten immer oben oder mittig platziert werden, denn dort suchen die Nutzer zuerst. „Solche und andere Hilfsmittel, die auf Erkenntnissen der Psychologie basieren, geben wir den Gestaltern von Technik an die Hand“, erklärt Hurtienne. Zurzeit arbeitet das Team des neuen Professors unter anderem daran, einen ganzen Katalog mit solchen Empfehlungen zusammenzustellen.

Technik für Ältere und Demenzkranke

Wofür sich Jörn Hurtienne außerdem interessiert: Wie kann Technik für Senioren bedienbar gemacht werden? Wie für Menschen, die in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt sind? „In der Regel können ältere Menschen gut mit der Art von Technik umgehen, die sie im Alter zwischen 20 und 30 kennen gelernt haben“, erklärt der Psychologe. An solchen Erkenntnissen gelte es sich zu orientieren, wenn man Technik für Ältere gestaltet.

Mobiltelefone für Senioren sollten darum heutzutage am ehesten wie TV-Fernbedienungen vergangener Jahre aussehen: Ein Knopf hatte damals immer nur eine Funktion. „Damit lassen sich auf einem Telefon zwar viel weniger Funktionen unterbringen, aber das macht in der Regel nichts aus. Denn viele ältere Nutzer wollen meistens nur telefonieren und vielleicht noch fotografieren“, so Hurtienne.

Auf diesem Gebiet will sich der Professor verstärkt auch mit der Frage befassen, wie Technik für Demenzkranke aussehen muss. Möglichst einfach, lautet hier eine Regel. Es gebe schon entsprechende Entwicklungen, etwa ein Radiogerät, das beim Hochklappen eines Deckels angeht und beim Schließen des Deckels ausgeschaltet wird. Für demente Menschen geeignet sei beispielsweise auch der Einsatz einfacher, sporadisch blinkender Bedienungselemente, die sich regelmäßig in Erinnerung rufen.

Gestaltung von Wissensarbeit

In den traditionellen Arbeitswissenschaften stand eher die körperliche Arbeit am Fließband im Mittelpunkt. Heute liegt der Schwerpunkt der Forschung auf der Gestaltung von „Wissensarbeit“, zum Beispiel in der Computerbranche. Wie müssen dort die Arbeitsbedingungen sein, damit sie der Leistung und der Gesundheit der Beschäftigten zuträglich sind?

„Die IT-Branche gilt als locker: Die Leute kommen in Jeans und T-Shirt, der Umgangston ist leger, im Büro steht ein Tischkicker“, sagt Hurtienne. Groß war darum das Erstaunen, als sich in den vergangenen Jahren zeigte: Gerade im IT-Sektor gibt es überdurchschnittlich viele Burnout-Erkrankungen. „Da gilt es herauszufinden, warum das so ist und was man tun kann.“

Bürden sich die IT-Spezialisten zu viele Projekte auf, weil sie im Beruf viele Freiheiten haben? Hat die Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit der Beschäftigten per Telefon und E-Mail damit zu tun? Solche Fragen klärt Hurtiennes Team direkt am Arbeitsplatz: „Wir beobachten die Leute, lassen sie erklären, was und wie sie arbeiten, stellen Fragen. Und immer berücksichtigen wir dabei die vier Felder Individuum, Team, Arbeitsorganisation und Unternehmenskultur.“
Psychologische Ergonomie in der Lehre

Hurtiennes Lehrstuhl trägt zusammen mit dem Lehrstuhl für Mensch-Computer-Interaktion den größten Anteil an der Ausbildung im Bachelor-Studiengang Mensch-Computer-Systeme. Beide Professuren entwickeln zurzeit auch den neuen Master-Studiengang Human-Computer-Interaction.

„Unsere Studierenden machen wir mit den Grundlagen der Ergonomie und Psychologie vertraut. Sie lernen und üben spezielle Methoden zur Gestaltung von technischen Systemen und zur Überprüfung der Usability und User Experience“, so der Professor. Zahlreiche Vertiefungsangebote kommen dazu. Darin können die Studierenden zum Beispiel Richtlinien für benutzerfreundliche Webseiten erstellen oder Systeme so designen, dass möglichst viele unterschiedliche Menschen damit zurechtkommen, auch Menschen mit Behinderungen.

Werdegang des neuen Professors

Jörn Hurtienne, 1975 in Prenzlau geboren, hat Psychologie an der Humboldt-Universität Berlin studiert. Nach dem Diplom und einer längeren Tätigkeit als Usability-Berater fertigte er eine ingenieurwissenschaftlich ausgerichtete Doktorarbeit an, die er 2009 an der Technischen Universität Berlin abschloss. Im Anschluss forschte er als Marie-Curie-Fellow am Engineering Design Centre der Universität Cambridge in England.

Zurück in Deutschland übernahm Hurtienne im Fach Psychologie eine Dozentur im Master-Studiengang „Interaction Design“ an der Hochschule Magdeburg-Stendal. 2011 wurde er zudem wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Berlin. Dort befasste er sich mit einem Projekt über Arbeitsintensität, Zeit- und Leistungsdruck bei qualifizierter Dienstleistungsarbeit.

Kontakt

Prof. Dr. Jörn Hurtienne, Institut für Mensch-Computer-Medien, Universität Würzburg, T (0931) 31-86676, joern.hurtienne@uni-wuerzburg.de

Quelle: idw




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