Studienwahl: Was will ich wirklich?

Die Entscheidungspsychologin Katrin Fischer erklärt, warum der erste Impuls nicht immer der beste ist. Interview: Magdalena Hamm

Soll ich lieber auf den Bauch oder Kopf hören?  |  © Ballonkistenmann/photocase

ZEIT Campus: Frau Fischer, nach dem Bachelor muss man viele Entscheidungen treffen: Raten Sie
dazu, auf den Bauch oder auf den Kopf zu hören?

Katrin Fischer: Wichtige Entscheidungen sollte man immer mit dem Kopf treffen. Das Bauchgefühl ist zwar ein wichtiger Hinweisgeber, aber wenn wir uns zu sehr darauf verlassen, besteht die Gefahr, dass wir uns selbst täuschen. Wir neigen dazu, den ersten Eindruck, den wir von einer Sache haben, zu überschätzen.

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ZEIT Campus: Wie sieht so eine Selbsttäuschung aus?

47, ist Professorin für Angewandte Psychologie an der FH Nordwestschweiz und forscht unter anderem zu Entscheidungspsychologie.

Fischer: In der Psychologie sprechen wir von einem Bestätigungsfehler. Wir bilden uns eine Hypothese und suchen dazu nur nach Informationen, die sie bestätigen. Wenn ein Absolvent die Vorstellung hat, dass ein bestimmter Masterstudiengang perfekt zu ihm passt, kann es passieren, dass er Argumente, die dagegensprechen, nicht mehr wahrnimmt. Oder wenn Schüler beweisen sollten, dass es nur weiße Schwäne auf der Welt gibt, würden sie spontan erst einmal nach weißen Schwänen suchen. Dabei wäre die richtige Strategie, nach andersfarbigen Schwänen Ausschau zu halten. Hypothesen zu hinterlegen nicht widerlegen? ist die Grundlage wissenschaftlichen Denkens. Aber das passiert bei Menschen nicht automatisch, wir müssen uns aktiv dazu entschließen.

ZEIT Campus: Gibt es weitere Fallen, die einen beim Entscheiden in die Irre führen
können?

Dieser Text stammt aus dem ZEIT Campus Ratgeber 2/2015, der am Kiosk erhältlich ist. Klicken Sie auf das Bild, um auf die Seite des Magazins zu gelangen.

Dieser Text stammt aus dem ZEIT Campus Ratgeber 2/2015, der am Kiosk erhältlich ist. Klicken Sie auf das Bild, um auf die Seite des Magazins zu gelangen.

Fischer: Sehr häufig gehen wir von falschen Wahrscheinlichkeiten aus. Wenn sich junge Mädchen wünschen, Schauspielerin zu werden, dann liegt es oft daran, dass sie mit dem Beruf Ansehen, Erfolg und Reichtum verbinden. Sie orientieren sich dabei an der sehr kleinen Gruppe von Stars, die sie aus den Medien kennen. Die viel größere Gruppe von Schauspielern, die nebenbei kellnern, beziehen sie nicht in ihre Überlegungen ein. Und jemand, der BWL studieren möchte, sollte sich bewusst machen, dass nur ein sehr kleiner Teil der Absolventen später als Investmentbanker reich wird, die meisten landen in weniger spektakulären und weniger einträglichen Jobs, zum Beispiel bei der Stadt- oder Kreissparkasse.

ZEIT Campus: Wie kann man verhindern, sich bei Entscheidungen selbst zu täuschen?

Fischer: Der erste Schritt ist, sich über die eigenen Ziele eindeutig klar zu werden und sich dann alle Optionen zu vergegenwärtigen, die tatsächlich möglich sind. Bachelorabsolventen haben in der Regel sehr viele Möglichkeiten. Sie können einen Master in Deutschland oder an einer Universität im Ausland machen. Sie können das Studium unterbrechen, um Praktika zu machen oder um zu reisen. Sie können auch eine Berufsausbildung anfangen oder sich auf einen Job bewerben. Bei so viel Auswahl haben wir oft den Impuls, Alternativen, die uns auf den ersten Blick unattraktiv erscheinen, von vornherein auszuschließen. Hier lohnt es, das Sichtfeld auszuweiten, also alle Wahlmöglichkeiten aufzulisten und möglichst objektiv zu bewerten.

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