STS Abschiedstournee: Hymnen gegen „Hektomatik-Welt“

Im musikalischen Überangebot der Gegenwart müssen ständig neue künstliche Mängel geschaffen werden, um die Menschen zu mobilisieren. Einmal lockt eine „Limited-Edition-CD“, dann wieder eine Abschiedstournee. Auch das steirische Trio STS hat geahnt, dass es nur ein bisserl Psychologie braucht, um die rechtschaffen gemütlich gewordenen Altfans noch einmal vom Kanapee zu holen.

Der Grad der Mobilisierung, den sie mit ihrer Ankündigung einer „letzten großen Tournee“ auslösten, überraschte sie wohl selbst am meisten. Zweimal ausverkaufte Stadthalle, samt dem Kuriosum, dass das Zusatzkonzert vor dem regulären Termin angesetzt werden musste. Der munter schunkelnde Liederreigen begann mit einem Bekenntnis zum Pragmatismus. Der Opener „Das Feuer“ lobte den sorgsamen Umgang mit dem innewohnenden Feuer.

Den praktizieren Steinbäcker, Timischl und Schiffkowitz seit 30Jahren. Ganz nach dem Vorbild von Crosby, Stills Nash meditieren die drei über das Verfließen der Zeit aus dem Blickwinkel der Provinz, aber auch über die Glücksmöglichkeiten in glücksfernen Gegenden. Dass sich der Fortschritt traditionell aus der großen Stadt übers weite Land ergießt, erfüllte STS immer schon mit Skepsis und Widerstandswillen. Im 1985 komponierten „Irgendwann bleib i dann dort“ fand Gert Steinbäcker die zeitlos wirkende Beschreibung einer „Hektomatik-Welt“, in der sich alles um Geld und Macht dreht. Als STS diese Hymne der gemütlichen Rebellion anstimmten, da tobte der Saal.

Begonnen hat es eher verhalten. Ein Lamento ans unerbittliche Verfließen des Lebens („Die Zeit“), eine Hommage an die Beatles („Da kummt die Sunn“) und eine Art Gegengift zum eigenen Überhit namens „Out of Fürstenfeld“ waren die Höhepunkte vor der Pause. Umso beseelter sang man sich danach in Rage. Mit „100Wege“, dargebracht von Timischl, der charismatischsten Stimme des Trios, war alles auf Gleis gesetzt.

Mit dem leicht reaktionären „Sie wissen all's besser“ zeigte sich der hässliche Österreicher, der, der stets die anderen im Irrenhaus sieht. Bei „Großvater“ stürmten die Fans endlich vor, um sich in den Harmonien zu wiegen. Die Erfolgsnummern prasselten jetzt wie ein warmer Platzregen nieder. „Fürstenfeld“, „I bin aus Österreich“ und die stimmige Kris-Kristofferson-Interpretation „Gö, du bleibst heut nacht bei mir“. Der heiligste, weil naivste Moment wartete ganz am Ende: Timischls erstaunlich reduziert formuliertes, sehr, sehr zart intoniertes Hippie-Gebet „Auf a Wort“. sam

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2011)

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