Stress vor laufender Kamera


Professor Dirk Hellhammer. Foto: privat

Trier. Schon beim Gedanken an ein Bewerbungsgespräch bekommen viele Menschen Lampenfieber. Der lange Tisch, an dem man alleine sitzt. Gegenüber eine Gruppe von Interviewern, die den Bewerber mit scharfen Blicken mustern. Angst vor dem eigenen Versagen kann in dieser Drucksituation lähmen. Doch was passiert eigentlich in Körper und Psyche, wenn Menschen unter Stress stehen?

Diese Frage stellten sich die Trierer Forscher Dirk Hellhammer, Clemens Kirschbaum und Karl-Martin Pirke. Am Forschungszentrum für Psychobiologie und Psychosomatik der Universität Trier entwickelten sie in einer Arbeitsgruppe 1993 einen Labortest zur Messung der Auswirkungen von Stress auf Menschen: den Trier Social Stress Test, kurz TSST.

"Wir wollten untersuchen, warum Menschen so unterschiedlich auf psychischen Stress reagieren. Manche zeigen massive Stressreaktionen, andere so gut wie gar keine", erklärt Dirk Hellhammer.

Stresstests gab es bereits vor 1993. Die Forschungsinstitute entwickelten jedoch größtenteils eigene Tests, so dass die Ergebnisse untereinander nicht vergleichbar waren. Die Trierer Forscher haben ein standardisiertes Verfahren entwickelt, die Ergebnisse des Tests sind vergleichbar, unabhängig davon, wann und wo sie erhoben werden. Und so läuft der TSST ab: Die Versuchsperson steht vor einem Tisch, an dem zwei Personen sitzen. Sie soll in den ersten fünf Minuten ihre besondere Eignung für einen Job vortragen. Eine Kamera läuft mit. Anschließend muss die Versuchsperson weitere fünf Minuten eine Rechenaufgabe im Kopf lösen. Die Forscher legen ihr Fragebögen vor, um die Reaktion zu prüfen und die psychische Stressreaktion zu erfassen. Durch Messungen von Herzrate, Blutdruck, Blut- und Speichelproben werden auch die biologischen Reaktionen im Körper untersucht.

Mit dem TSST konnten die Trie rer Psychologen zum Beispiel zeigen, dass das menschliche Gehirn bei Belastungen in der vor- und nachgeburtlichen Reifungsphase lernen kann, auf Drucksituationen lebenslang sehr schnell Stressreaktionen einzuleiten. Das begünstige im fortgeschrittenen Lebensalter höhere Krankheitsrisiken, sagt Wissenschaftler Dirk Hellhammer. Dazu zählten Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, Angststörungen und Burnout-Syndrome.

Der TSST habe den Namen Trier in der Forschungswelt verankert, sagt Dirk Hellhammer: "Die Trierer Psychologie ist durch die Stressforschung sicher besonders bekannt geworden. Der TSST oder ,The Trier', wie englischsprachige Kollegen oft sagen, hat da einen hohen Stellenwert." Das Verfahren wird heute weltweit von Forschern zur Messung von Stressreaktionen angewandt.

Extra

Dirk Hellhammer studierte Psychologie und Neurochemie an den Universitäten Würzburg, Frankfurt und Indianapolis. Seine Doktorarbeit schrieb er am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt. Er schloss eine Ausbildung zum Verhaltenstherapeuten ab. 1986 folgte Hellhammer dem Ruf als Professor für klinische und physiologische Psychologie an der Universität Trier. 1988 gründete er das Forschungszentrum für Psychobiologie und Psychosomatik (FPP). Seine Forschungsarbeit wurde 1999 mit dem Deutschen Psychologie-Preis geehrt. 2012 trat er von seiner Professur in den Ruhestand, seitdem leitet er seine Praxis am Stresszentrum Trier und betreut Patienten mit stressbezogenen Gesundheitsstörungen. maw

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