Straubhaar Debatte Teil 2

Und hier die Reaktionen von Joachim Goldberg, Christoph Schmidt und Gert Wagner aus der heutigen FTD:

* Joachim Goldberg, Geschäftsführer der Behavioural Finance Beratungsfirma Cognitrend:

„Die Thesen von Herrn Straubhaar sprechen mir voll aus dem Herzen. Viele Ökonomen in Deutschland sind nicht offen für Veränderung. Es wird viel zu wenig interdisziplinär gearbeitet. Gerade mit dem Begriff Verhaltensökonomie schmückt man sich gern, oft steckt dahinter aber reine Ökonomie und kein interdisziplinäres Arbeiten mit Psychologie. Ich mache Behavioral Finance aus der Praxis heraus seit 15 Jahren. Dabei ist mir immer wieder aufgefallen, wie sehr viele Leute am Homo oeconomicus festhalten. Dabei ist das Konzept tot und hätte in der Form auch gar nicht existieren dürfen. Viele Finanzmarktprobleme gehen darauf zurück. Ich stimme Straubhaar zu, dass die Deregulierung der Finanzmärkte zu weit gegangen ist. Das Problem: Wenn man den Homo oeconomicus abschafft, werden auch all die Modelle infrage gestellt, die darauf beruhen. Davor scheuen sich viele Leute. Es fehlt der Mut für Neues.“

* Christoph Schmidt, Sachverständiger, Präsident RWI Essen:

 „Natürlich steht es den Ökonomen gut zu Gesicht, die Grenzen der eigenen Erkenntnis mit Demut zur Kenntnis zu nehmen. Aber weder war es in der Vergangenheit sinnvoll, die Aussagen stilisierter ökonomischer Modelle wörtlich zu nehmen und darauf blind wirtschaftspolitische Empfehlungen aufzubauen. Noch ist es jetzt angemessen, in eine Art Selbstgeißelung zu verfallen. Und genauso wie es stimmt, dass wir in manchen Bereichen, allen voran auf den Finanzmärkten, eine bessere Regulierung brauchen, so müssen wir uns in anderen Bereichen stärker des Marktes als Koordinierungsmechanismus bedienen – beispielsweise bei der Gesundheitsversorgung. Es trifft völlig zu, dass die Suche nach der richtigen Balance bei diesen Fragen von der Interaktion mit anderen Disziplinen profitiert. Aber es steht außer Frage, dass auch die Ökonomik zur Lösung gesellschaftlicher Probleme nach wie vor wertvolle Beiträge leisten kann.“

* Gert Wagner, Präsident DIW Berlin:

„Es gibt bestimmt nach wie vor einen Nachholbedarf an Interdisziplinarität innerhalb der neoklassischen Mainstream-Volkswirtschaftslehre. Aber es ist doch längst ein Paradigmenwechsel im Gange. Zum Beispiel untersucht die Industrieökonomie im Detail die positiven Wirkungen von sinnvollen Marktregulierungen. Und verhaltenswissenschaftliche Ansätze sind in vielen Universitäten im Vormarsch. Ökonomische Datenerhebungen enthalten zunehmend zum Beispiel psychologische Messungen. Beides – Verhaltensökonomie und Interdisziplinarität – wird beispielsweise am DIW Berlin nicht erst seit heute gepflegt. Unsere große Erhebung, das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), ist ein Beispiel für – wie bereits der Name anzeigt – multidisziplinäre empirische Studien. Und das SOEP läuft am DIW bereits seit 1984! Entsprechend ist auch unsere Politikberatung seit Langem methodisch breit angelegt.“

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