Stephan Albrech: Starker Dollar, starke US-Aktien? – n

Stephan Albrech: Starker Dollar, starke US-Aktien?

(Foto: REUTERS)

Freitag, 20. Januar 2012


Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Dieses Bonmot von Mark Twain gilt für die Kapitalmärkte im Jahr 2012 ganz besonders. Denn nicht nur die Konjunktur hängt am seidenen Faden der Euro-Schuldenkrise. Wegen der angespannten Psychologie sind an den Finanzmärkten auch heftige Bewegungen nach unten und oben möglich.

Stephan Albrech, Albrech  Cie

Stephan Albrech, Albrech Cie

Rückblende: Ein
bekanntes Anlegermagazin befragt vier Kapitalmarkt-Strategen zu den Aussichten
für 2011. Jeder der Experten nennt vier Aktien, denen er im Jahresverlauf gute
Chancen einräumt. So weit, so gut. Doch ab August macht die Politik den Auguren
einen gewaltigen Strich durch die Rechnung – und zum Jahresende verbuchen ihre
Depots im Schnitt ein Minus von 15 Prozent. Die beste Aktienauswahl verliert
rund fünf Prozent, die schlechteste büßt satte 30 Prozent an Wert ein.

Um kein
Missverständnis aufkommen zu lassen: Es geht hier keineswegs um Kollegenschelte.
Auf was ich hinaus will, ist: Die Unwägbarkeiten, die die Politik für die
Geldanlage mit sich bringt, sind derzeit so groß, dass solche fixierbaren
Aussagen keinen großen Wert besitzen. Sinnvoller ist es, sich bei der Prognose
auf die wahrscheinlichsten Szenarien zu konzentrieren.

Zwischen Wirtschaftsaufschwung und EU-Zusammenbruch

Szenario 1: Wenn es den Politikern und der
EZB durch entschiedenes Handeln gelingt, das Vertrauen in die Euro-Zone wieder herzustellen,
könnte Europas Wirtschaft, die auf die Rezession zusteuert beziehungsweise sich
teils darin befindet, erneut auf Wachstumskurs gehen. Die Wahrscheinlichkeit
liegt meines Erachtens zwischen 60 und 70 Prozent.

Szenario 2: Finden die EU-Staaten, die im
gesamten Jahr Hunderte von Milliarden Euro aufnehmen müssen, nicht genügend
Käufer für ihre Staatsanleihen und ziert sich die EZB, als Feuerwehr bei der
Finanzierung einzuspringen, könnte sich die Wirtschaftsschwäche deutlich
verschärfen und Europa in eine tiefere Rezession führen. In diesem Fall dürfte
sich die Lage erst im Jahr 2013 bessern. Wahrscheinlichkeit: 20 bis 30 Prozent.

Szenario 3: Tritt ein Land aus dem Euro
aus und/oder brechen Banken zusammen, könnte sich ein Finanz-Tsunami
entwickeln, gegen den der von 2008 vermutlich harmlos war. Wahrscheinlichkeit:
0 bis 20 Prozent.

US-Aktien und Dollar könnten gleichzeitig
anziehen

Szenario 3 lässt
sich vermutlich ausschließen, da die Verantwortlichen alles unternehmen
dürften, um diesen GAU zu vermeiden. Bei den beiden anderen Szenarien zeigt
sich: Die konjunkturellen Risiken in Europa sind angesichts der politischen Unsicherheiten
derzeit höher als in den USA, die sich zudem in einem (für die Börse oft gut
verlaufenden) Präsidenten-Wahljahr befinden. Auch läuft in den Vereinigten
Staaten die Wirtschaft besser; die Unternehmen verdienen glänzend. All das
dürfte dazu führen, dass die Aktienmärkte in Übersee im ersten Halbjahr besser
abschneiden als in Europa. Zudem sollte dieser Geldstrom den US-Dollar stärken.
Ist eine überzeugende Lösung der Schuldenkrise gefunden, sollten die Börsen des
Alten Kontinents zur Aufholjagd ansetzen.

Staatsanleihen am Scheideweg

Und die Staatsanleihen?
In Szenario 1 müssten die Renditen deutscher Papiere bald kräftig steigen, da
eine Entspannung bei Italien, Spanien und Co. nur über Euro-Bonds und/oder eine
höhere Haftung Deutschlands möglich sein dürfte. In Szenario 2 könnte die
Rendite indes noch weiter sinken und dem japanischen Modell Konkurrenz machen.
Größter Profiteur eines solchen Szenarios sollten die US-Staatsanleihen sein,
die sodann den Status als einzig verbleibender „safe haven“ einnehmen. In diesem
Szenario sollte der Dollar ebenfalls anziehen.

Der Autor Stephan Albrech ist im Vorstand der bankunabhängigen Vermögensverwaltung Albrech Cie und Experte des Internetportals Vermögensprofis.de.

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