Sport-Psychologie: Peters: "Umgang mit Druck muss trainiert werden"

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In einer Zeit, in der immer mehr Sportler Schwäche und
Überforderung zugeben, fragt sich die Sportwelt zu recht, und auch
mit schlechtem Gewissen: sind wir zu fordernd, zu unsensibel, zu
unbarmherzig? Die Diskussion ist ebenso notwendig wie die richtige
Einordnung. «Wir müssen davon weg, dass ein Mysterium daraus gemacht
wird, der Druck im Sport sei zu groß», sagt dagegen Bernhard Peters,
ehemaliger Weltmeistertrainer der deutschen Hockey-Männer und heute
Direktor für Sport und Nachwuchsförderung beim
Fußball-Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim.

Spannungsfeld in Leistung umwandeln

Es ist unstrittig, das Leistungssportler unter besonderer
Beobachtung stehen, einem immensen Interesse von Medienvertretern
und damit dem der Öffentlichkeit ausgesetzt sind. Ihr gesamtes
Handeln, ihr Leben, wird von hoch emotionalen Reaktionen anderer
begleitet; ständig müssen sie auch mit ihren eigenen Emotionen
umgehen. «Darauf werden jugendliche Sportler nicht immer
vorbereitet, es gibt noch zu wenige erstklassige Sportpsychologen»,
sagt Peters. Jugendliche müssten auf Extremsituationen, wie es
Bundesligaspiele, Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele sind,
trainiert werden. So normal, wie dies im Flachpassspiel oder beim
Kopfball auch erfolge.

«Wir bewegen uns doch auch im Top-Sport, weil wir dieses Gefühl
lieben, dass es vor wichtigen Events im Magen weh tut und nervös
zugeht. Es ist der Unterschied zu einem normalen Büro-Job, dass
Situationen so zugespitzt erlebt werden, man positive oder negative
Emotionen in kürzester Abfolge im Wechsel erleben kann», sagt
Peters. Dieses Spannungsfeld werde auch in Leistung umgewandelt. Aus
diesem Grund sei es notwendig, die Thematik in mehrere Facetten zu
zerlegen. «Alle, die im Leistungssport arbeiten, haben die Aufgabe,
jeden Spieler so stark wie möglich zu machen und vorzubereiten»,
sagt Peters, 2006 Wunschkandidat des damaligen Nationaltrainers
Jürgen Klinsmann für den Posten des DFB-Sportdirektors. Im Wesen des
Sports liegt auch die Möglichkeit des Scheiterns, Reiz und
Nervenkitzel zugleich, für Sportler ebenso wie für Fans.

Stress durch Können kanalisieren

Längst arbeiten auch Fußball-Bundesligisten mit der Erstellung
von Persönlichkeitsprofilen ihrer Spieler. Sie wollen beispielsweise
erkennen, welcher Profi in welcher Situation am besten geeignet ist,
den Elfmeter zu schießen, oder wer der Nervenanspannung am besten
gewachsen ist, bei Rückstand in entscheidenden Spielen eingewechselt
zu werden. Für Peters aber muss die Arbeit mit den Sportlern weitaus
früher anfangen. «Wir müssen dies über den Jugendbereich
vorbereiten. Die Entwicklung des Sportlers muss eindeutig stärker
auch auf den mentalen Bereich als ein wichtiger Baustein gelenkt
werden», erklärt Peters.

Druck lastet auf jedem Sportler ebenso wie auf Schülern,
Studenten, Arbeitnehmern. «Im Spitzensport wird er besonders sicht-
und spürbar. Den Umgang mit Druck muss man trainieren, auf
unvorhergesehene Situationen muss man Sportler vorbereiten. Ich bin
dann erfolgreich, wenn ich in der Lage bin aus diesem Stress eine
absolute Fokussierung auf mein Können zu kanalisieren. Das ist etwas
Positives!» sagt Peters. Es sei ausgesprochen fragwürdig, wenn dann
solche Erklärungs-Mechanismen wirken würden, wie sie beim Thema
Babak Rafati am vergangenen Samstag zu verfolgen waren.




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