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«Spielsüchtige gehen schneller bankrott als Börsenhändler»

50'000 Börsendeals tätigte Uli Hoeness. Ist er deswegen krank? Psychologe Michael Schaub über den Geldkick, irrationale Gedanken und das schnelle Geschäft am Pager.

Die Lehne hat er im Griff: Uli Hoeness an seinem dritten Prozesstag in München. (12. März 2014)

Die Lehne hat er im Griff: Uli Hoeness an seinem dritten Prozesstag in München. (12. März 2014)
Bild: Matthias Schrader/Keystone

Michael Schaub, 40-jähriger Psychologe aus Bremgarten, leitet das Schweizer Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung (ISGF) in Zürich. Zu seinen Schwerpunkten gehören die Therapie und Diagnostik von Substanzstörungen. Schaub arbeitet als Forscher und auch als Therapeut und hat zahlreiche Studien publiziert. (Bild: zvg)

Übersteigertes Selbstgefühl, Rücksichtslosigkeit und mangelnde Empathie: Leonardo DiCaprio als Börsenhändler Jordan Belfort im Film «The Wolf of Wall Street». Bild: Paramount Pictures.

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Uli Hoeness vor Gericht


Uli Hoeness vor Gericht
Uli Hoeness, deutsche Fussballlegende und FC-Bayern-Präsident, wird der Steuerhinterziehung in Millionenhöhe beschuldigt.

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Uli Hoeness hat an der Börse mit Millionen gehandelt, Tag und Nacht, jahrelang. Halten Sie ihn für spielsüchtig?
Es läuft ein Prozess gegen ihn, da wird einiges hochgespielt, er selber könnte ein Interesse daran haben, sich als ein Ausgelieferter darzustellen. Aber alle Symptome sprechen dafür, das Herr Hoeness an einer Spielsucht litt – dass er sich nicht nur problematisch verhielt, sondern pathologisch. Mit dem Unterschied natürlich, dass er nicht in einem Kasino um Geld spielte, sondern an der Börse.

Wie gross ist der Unterschied? Der deutsche Rechtspsychologe Gerhard Meyer sagt, Zocken an der Börse sei wie ein Glücksspiel.
Es kommt auf die Art des Spiels an, um bei diesem Wort zu bleiben. Am meisten gefährdet sind wohl die Daytrader, die ihre Entscheide viel schneller treffen müssen, als für eine Einschätzung nötig wäre. Weil Tausende von Faktoren über so kurzfristige Gewinne und Verluste entscheiden, spielt der Zufall eine grosse Rolle, ob ein Trader Geld verdient oder nicht. Erst recht, wenn er seine Geschäfte übers Handy abwickelt oder sich wie Hoeness über den Pager informieren lässt. Das reduziert die Übersicht, erhöht den Stress und damit auch die Suchtgefahr.

Studien weisen darauf hin, dass gegen 90 Prozent der Daytrader auf die Dauer Geld verlieren.
Dass sie trotzdem weitermachen, zeigt gerade das hohe Suchtpotenzial ihrer Arbeit auf. Sie können nicht aufhören, obwohl die Vernunft ihnen sagen müsste, dass sie sich ruinieren. Typisch für diese Art von Sucht sind die irrationalen Gedanken, man könne alles wieder hereinholen. Anders als bei Spielautomaten, die so konstruiert sind, dass das Kasino immer gewinnt, lässt sich das bei der Börsenspekulation so nicht voraussagen. Das verstärkt die Illusion, es doch noch zu schaffen.

Warum wird jemand spiel- und nicht drogensüchtig?
An der Börse gehört meistens eine bessere Ausbildung dazu und ganz sicher ein grösseres Konto. Oft entsteht Spielsucht aus einer Komorbidität heraus, mit Alkohol oder Tabak, an der Börse oft auch mit Kokain. Es können kulturelle Einflüsse hineinspielen, bei Migranten zum Beispiel, bei denen Brettspiele und Wetten besonders beliebt sind. Eine griechische Studie hat herausgefunden, dass viele Trader die Symptome von Spielsüchtigen aufweisen. Es gibt also Zusammenhänge. Dabei muss dieses Knistern in den Fingern schon stark sein, damit man sich tagelang vor einem Spielautomaten aufhält oder die Nächte vor seinem Computer verbringt. Das sind ja keine angenehmen Tätigkeiten und Umgebungen.

Kokain bringt wenigstens das High. Was macht den Kick aus, wenn man an der Börse oder im Kasino um Geld spielt?
Zunächst wird im Hirn Dopamin ausgeschüttet, der Botenstoff der Euphorie. Aber das passiert auch bei Sex und Schokolade. Und es erklärt noch nicht, warum jemand spielsüchtig wird. Lerntheoretisch kann man sagen: Das Warten auf die Belohnung führt zum immer stärkeren Bedürfnis, diese Belohnung wieder und wieder zu bekommen, also ganz schnell viel Geld zu machen. Das Erstaunliche dabei, wie Untersuchungen bei Spielsüchtigen gezeigt haben: Der Kick stellt sich schon beim Warten ein und nicht erst dann, wenn das Geld aus dem Spielautomaten kullert. Die Spannung ist der Reiz, nicht der Gewinn. Was mit erklärt, warum Süchtige immer weiterspielen, auch wenn sie verlieren.

Psychoanalytisch gesprochen häufen sich bei Spitzenmanagern und
Börsenspekulanten narzisstische Störungen, wie sie Martin Scorsese in seinem Film «The Wolf of Wallstreet» zeigt. Mit übersteigertem Selbstgefühl, Rücksichtslosigkeit und mangelnder Empathie. Fördert die Globalisierung dieses Verhalten?

Das ist so, ich sehe das auch durch meine therapeutische Erfahrung bestätigt. Geld, Kokain, Börse und Narzissmus haben viel miteinander zu tun. Und auch hier läuft ein Lernprozess ab: Narzisstische Persönlichkeiten, die mit fremdem Geld enorme Risiken eingehen, sehen sich immer wieder dafür bestätigt und belohnt. Und ich gehe davon aus, dass diese Mentalität in den entsprechenden Bereichen der Banken immer noch weitverbreitet ist. Sie setzen auf möglichst schnelle Gewinnmaximierung unabhängig davon, welche langfristigen Folgen das für ihre Kunden haben kann.

Lässt sich der Narzissmus als Krankheit unserer Zeit verstehen?
Sicher ist, dass das schnelle Spiel an den Börsen und die sich beschleunigende Globalisierung narzisstische Persönlichkeiten anziehen. Also Leute, die keine Geduld haben, die nicht gerne planen und das Schnelle, Riskante, Kurzfristige vorziehen. Die über die nötige Intelligenz und Stressresistenz verfügen. Und die erfolgreich alles verdrängen, was sie als Warnzeichen oder Gefahr erkennen müssten. An der Börse kann Spielsucht zum Beruf werden. Der Unterschied liegt darin, dass Spielsüchtige schneller bankrott gehen als Börsenhändler. Und dass Letztere fast nie in Therapie gehen.

Wenn man Sie so hört, müsste Uli Hoeness gar kein Unrechtsbewusstsein haben, im Sinne: Die anderen tun es auch, finden es richtig und werden dafür noch bezahlt.
Hoeness steht wegen Steuerbetrugs vor Gericht, nicht wegen Börsenspekulation. Was Spielsucht und Börsenzocken betrifft, entwickelt sich eine Problemeinsicht höchstens dann, wenn andere zu Schaden kommen. Und auch das nur sehr bedingt, wie die amerikanische Banken- und Immobilienkrise gezeigt hat. Und da keiner mit Bestimmtheit weiss, wann der nächste Crash passiert, geht es immer weiter so.

Wer so mit Geld umgeht, sagt man, leide an einer Kontrollillusion.
Das Gefühl, sein Verhalten im Griff zu haben, gilt für viele Drogenabhängige und auch für Spielsüchtige. Das beginnt bei den einarmigen Banditen und geht bis zum Pokerspiel, das eine hohe Intelligenz, Konzentration und Selbstbeherrschung voraussetzt.

In der Schweiz rechnet man mit gegen 6000 Börsensüchtigen, Tendenz steigend. Müssten die Banken solche Leute fernhalten, tragen sie eine Mitverantwortung?
Auf jeden Fall, das ist naheliegend. Jedes Kasino muss einen Sozialplan haben, muss sich für die Prävention von Spielsüchtigen einsetzen, muss Leute sperren können. Das müssten auch die Banken tun, denn das Krankheitsbild ist dasselbe. Auf einer entsprechenden Website ein Selbsttest mit anonymer Beratung wäre ein erster Schritt.

Halten Sie Uli Hoeness für schuldfähig, oder ist er einfach krank?
Soweit ich das beurteilen kann, hat Herr Hoeness wirklich den Überblick über seine Börsengeschäfte völlig verloren. Ich glaube ihm, dass er einiges nicht aus Absicht verschwieg, sondern aus Überforderung. Wer so kurzfristig denkt und zockt, müsste ein ganzes Buchhaltungsbüro betreiben, um die Gelder für die Steuern korrekt aufzuarbeiten. Damit will ich ihn aber nicht in Schutz nehmen, denn er hat über lange Zeit systematisch Steuern hinterzogen.

Wo ziehen Sie die Grenze zwischen einem, der professionell am Geschäft dranbleibt, und einer Suchtkrankheit?
Ob jemand den Computer auch abstellen kann. Ob er ohne Entzugssymptome lebt, ob er keinen Stress verspürt.

Wohin führt uns diese Kombination von Spielsucht und Börsengeschäft?
Beunruhigend ist nicht nur, dass Süchtige Risiken eingehen und Verluste ignorieren, sondern dass professionelle Händler dies im Auftrag ihrer Banken tun. Beides arbeitet dem nächsten Kollaps des Systems entgegen. (DerBund.ch/Newsnet)

Erstellt: 13.03.2014, 07:59 Uhr


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