"Sparsame Menschen sind sehr glücklich"

Wohlbefinden erreicht nach Ansicht von Tatzel, wer kompetent und unabhängig ist, wer positive Beziehungen pflegt, sich selbst akzeptiert und durch persönliche Herausforderungen verbessert. Es handele sich hierbei um psychologische Grundbedürfnisse. Das Streben nach Geld und Besitz entziehe dagegen Zeit von persönlichen Aktivitäten und Beziehungen. Zufriedenheit könne bis zu einem Jahreseinkommen von 75.000 Dollar zunehmen. Darüber hinaus habe jede Einkommenssteigerung keinerlei große Bedeutung. Tatzel glaubt, ein zufriedenes Leben steht im Einklang mit dem Umweltschutz. „Materialismus ist nicht nur schlecht für die Umwelt, es ist auch schlecht für unser Wohlbefinden." Das WirtschaftsBlatt sprach mit der Expertin.

WirtschaftsBlatt: Was macht uns Menschen glücklich? Ist es das Geld?
Miriam Tatzel: Wir haben in Amerika den Spruch eines zufriedenen Campers („Happy Camper", die Red.). Was macht uns nun glücklich? Gute Beziehungen. Unabhängigkeit in unserem Leben. Wenn wir machen können, was wir möchten. Engagiert, involviert zu sein bei der Arbeit. Wir suchen nach Bedeutung in unserem Leben. Wir wünschen uns ein angenehmes Leben. Mehr positive als negative Emotionen. Wir möchten fachkundig sein, Fähigkeiten haben. Wir möchten gut auf unser Umfeld wirken. Das sind also zusammengefasst die Qualitäten, die über unser Wohlbefinden bestimmen.

Was ist es mit dem Geld und Konsum?
Aus Konsumentensicht stellt sich die Frage, wie wir mit Geld und Besitz umgehen können. Ob es unterstützend auf unsere psychologischen Bedürfnisse wirkt. Viele Menschen, egal wie alt sie sind, stellen genau diese Frage, ob Geld zum Glücklichsein beiträgt oder nicht (lacht). Nun Sie müssen unterscheiden zwischen den verschiedenen Formen der Zufriedenheit. Eine Form ist das kognitive Wohlbefinden: Wie wir über unser Leben denken, wie wir es betrachten, ob wir unser Leben als erfolgreich ansehen. Die andere Form der Zufriedenheit ist emotional. Es geht um die Qualität unserer Erfahrungen auf einer tagtäglichen Basis. Haben wir positive Gefühle?

Und Geld. Ist es nun wichtig oder nicht?
In Bezug auf die Zufriedenheit gilt: Geld ist wichtig, wenn Sie arm sind. Weil Sie Geld in gewisser Weise vor vielen Gefahren im Leben schützt. Es hilft Menschen bei der Gesundheit oder zum Beispiel einer Scheidung. Also mehr Geld zu besitzen, hilft, wie Sie sich fühlen. Aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Studien dazu erstellte Daniel Kahneman und andere. Sie gingen vor fünf Jahren der Frage nach, ab wann Geld seine Bedeutung verliert. Das Resultat war: Sobald Ihr Haushalt 75.000 Dollar Einkommen erreicht, steigert noch mehr Geld nicht Ihre gefühlte Zufriedenheit. Aber mit Blick auf die Zufriedenheit Ihres Lebens, hilft mehr Geld weiter. Aber es hat eine abnehmende Bedeutung.

Wie meinen Sie das?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Wenn Sie von 20.000 auf 30.000 Dollar Ihr Gehalt steigern, ist das psychologisch so, als ob Sie von 200.000 auf 300.000 Dollar springen. Es handelt sich um das gleiche Größenverhältnis. Geld macht das Leben besser. Und es erhöht die Zufriedenheit. Aber mit Blick darauf, wie Sie sich selbst fühlen, ändert sich nichts, sobald Sie Ihre Grundbedürfnisse erfüllt haben.

Es gibt Spezialkliniken, in die sich Millionäre von der Wall Street und Hollywood-Stars begeben, weil sie deprimiert sind. Liegt es an den sozialen Beziehungen, die sie aufgrund ihrer Karriere nicht pflegen konnten?
Es gibt einige Studien zu der Thematik. Geld führt dazu, dass Sie in einer schöneren Umgebung leben können. Sie haben Zugang zu Fachpersonal, das sich besser um Ihre Gesundheit kümmern kann. Sie können mit Ihrem Job zufriedener sein. Mit Blick auf Familie und Beziehungen spielt aber Geld nicht die große Rolle, wie es scheint. Enge Beziehungen zu Familie und zu anderen Menschen haben einen Einfluss auf Ihr Leben, auf Ihre Zufriedenheit.

Welche Rolle spielen eigentlich Statussymbole?
Das ist eine gute Frage. Es ist gut einen Status zu haben. Sie werden so von Menschen respektiert. Es ist gut Wohlstand und Macht zu haben. Aber sich diese Dinge zu wünschen, wenn Sie keinen Wohlstand und keine Macht haben, kann dazu führen, dass Sie sehr enttäuscht sind.

Wie ist es mit diesen Luxusartikeln, die sich Konsumenten kaufen?
Sie können versuchen, Status zu kaufen, indem Sie es sich im Handel erwerben. Ja, da gibt diese Statusartikel, die einen hohen Stellenwert haben. In diesem Fall möchten Sie versuchen, das Erscheinungsbild von Status zu kaufen. Es kann ein Stück weit funktionieren. Es gibt ja den Spruch „Kleider machen Leute". Leute, die einen wahren Status haben, sind meistens diesbezüglich sehr viel gelassener. Man muss unterscheiden zwischen denen, die den Status wirklich haben und jenen, die dort sein möchten. Ich glaube, Status kommt letztendlich von dem, was Sie erreicht haben. Zu versuchen, Status zu kaufen, kann kontraproduktiv sein. Es gibt ja diesen Spruch: „Leute kaufen mit Geld, das Sie nicht haben, Dinge, die Sie nicht brauchen, um Leuten zu imponieren, die Sie nicht ausstehen können."

Zur Person

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Zur Person

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Miriam Tatzel

studierte Psychologie am Queens College in New York. Sie promovierte an der renommierten Columbia Universität ebenfalls in New York. Die Professorin lehrt am Empire State College, der Hochschule des Bundesstaates New York. Sie ergründet, wie zufrieden Konsumenten sind und worin sie sich unterscheiden.

Es gibt viele Menschen, die glauben, Status kommt von Produkten und Dingen?
Der Status kommt von Ihren wahren Errungenschaften.

Wie ist es zu erklären, dass viele Menschen davon träumen, reich und damit glücklich zu werden. Ist es nicht eine falsche Annahme?
Ja, es handelt zu einem gewissen Grad um eine Fehlvorstellung. Obwohl viele Menschen sagen, Geld sei nicht das Wichtigste im Leben. Es sei wichtiger glücklich zu sein und ein bedeutungsvolles Leben zu haben. Trotzdem scheint es, als ob Geld durchaus eine wichtige Rolle in deren Leben spielt. Wenn Sie nun diesen Traum von Reichtum haben und es erreichen, ist es OK. Aber für all die Menschen, die diesen Traum haben und der nicht in Erfüllung geht, bedeutete das: Diese Menschen sind sehr unzufrieden. Es liegt an der Lücke. An dem, was wir haben und was wir uns wünschen. Je größer die Lücke ist, desto unzufriedener sind wir mit der Situation.

Wie machen Sie Ihre Studien?
Mein Research dreht sich um die verschiedensten Arten an Konsumenten. Eine Studie dreht sich darum, was wir uns wünschen und inwiefern wir bereit sind, dafür Geld auszugeben. Ich habe unterschiedliche Konsumentengruppen gebildet - basierend darauf, wie materialistisch sie eingestellt sind und wie gut sie im Umgang mit Geld sind.

Was haben Sie herausgefunden? Welche Personengruppen sind gut im Umgang mit Geld und welche nicht?
Leute, die sparsam sind, sind gut im Umgang mit Geld. Leute die sowohl sparsam, als auch materialistisch sind, suchen nach guten Deals und Schnäppchen. Dann haben wir die Gruppe, bei denen das Geld locker sitzt: Sie sind materialistisch und geben ständig Geld aus. Diese Leute nehmen eher Schulden auf und sie sind impulsive Käufer.

Wer ist am glücklichsten von diesen Konsumententypen?
Sehr viel Research einschließlich meiner Arbeit zeigt, hinter dem Materialismus verbergen sich Menschen, die tendenziell nicht sehr glücklich mit ihrem Leben sind. Interessanterweise habe ich die Gruppe der Sparsamen, die tendieren dazu, sehr glücklich zu sein. Schließlich gibt es Menschen, die weder materialistisch, noch sparsam sind. Anders ausgedrückt handelt es sich um Menschen, denen das Geld locker sitzt, denen aber der Besitz egal ist. Sie geben eher ihr Geld für Erlebnisse aus. Diese Leute tendieren dazu, sehr glücklich zu sein.

Kurz gesagt: Sparsame und Genießer sind glücklich?
Ja. Studien zeigen, Geld für Erlebnisse auszugeben, bringt mehr Freude. Sie haben gute Erinnerungen und fühlen, es ist persönlich relevant für Sie.

Sind sprechen Urlaube oder ein Wochenendausflug an?
Ja, richtig. Es kann sich aber auch um Schulungen oder Workshops handeln. Es geht um die Selbstverbesserung.

Wie wichtig ist die Karriere beziehungsweise der Beruf für die Zufriedenheit? Welche Rolle spielt hierbei das Geld?
Es besteht ein Unterschied zwischen der intrinsischen und extrinsischen Motivation. Intrinsisch bedeutet, Sie machen das aus einem inneren Antrieb heraus. Extrinsisch bedeutet, sie machen es, um etwas anderes dafür zu bekommen. Einerseits wird der Wunsch nach Geld als extrinsisch angesehen, weil sie sich damit etwas anderes erfüllen wollen. Andererseits denken Sie an einen Künstler, der seine Arbeit liebt oder welches Talent auch immer, das Sie entwickeln. Das sind dann intrinsische Motive. Manchmal entscheiden sich Menschen für Karrieren, die kein großartiges Vermögen mit sich bringen, aber sie sind bedeutungsvoll für sie. Leute, die extrinsisch mehr motiviert beim Geldverdienen sind, sind tendenziell zufriedener, wenn der Job gut bezahlt wird. Es gibt aber Situationen, in denen Leute gut verdienen, aber nicht ihr Leben erfüllt wird, weil ihr Herz und ihre Wünsche anders sind.

Was würden Sie einem Freund raten, der fragt: „Was soll ich studieren? Was ich wirklich mag? Oder ein Studienfach, bei dem ich ein möglichst hohes Gehalt verdienen kann?
Ich meine, Sie sollten weder die eine, noch die andere Seite ignorieren. Das wäre unrealistisch. Denken Sie über Ihre eigenen Talente nach und wie Sie die am besten entwickeln können, um den Lebensunterhalt verdienen zu können.

Lassen Sie Befragungen in den Straßen machen? Oder wie kommen Sie zu den Ergebnissen?
Meistens sind es Online-Befragungen von erwachsenen Studenten.

Wenn Sie all Ihr Wissen zusammenfassen würden: Wie kommen wir Menschen zu einem ausgeglichenen Leben, das uns glücklich macht? Familie, Job, Geld und so weiter in Einklang?
Nun, das ist eine größere Frage. Manchmal müssen wir uns an externen Umständen ausrichten: Wir müssen uns die Chancen ansehen, die sich ergeben.

Das stimmt. Aber generell geht es nicht darum, alles ein wenig in die Balance zu bringen?
Ja, das ist wahr. Leute, die sich an Dingen ausrichten, die weit außerhalb ihrer erreichbaren Zone liegen, tendieren dazu, Schulden aufzunehmen. Anschließend werden sie noch unglücklicher. Es geht darum, sensibel zu sein. Es geht darum: Glückliche Ziele zu stecken, die zwar darüber hinweg reichen, wo Sie derzeit sind, die Sie aber sehr wahrscheinlich erreichen können.

Welche Studien möchten Sie noch erstellen?
Ich bin in einer Phase, in der ich mich allmählich auf meinen Ruhestand vorbereite. Ich werde wahrscheinlich kein aktives Research mehr machen. Ich hoffe, das andere Menschen die Arbeit aufgreifen werden, die ich gemacht habe.

Haben Ihre jüngsten Studienergebnisse Reaktionen ausgelöst?
Ja. Die Präsentation, die ich vor der „American Psychological Association" hielt, entstand aus einem Buch heraus, das ich im vergangenen Jahr bearbeitet habe. Es geht um das Wohlergehen von Konsumenten. Es gibt darin mehrere Kapital über die ökologische Wirtschaft. Wir haben diese Annahme, Konsum braucht unsere natürlichen Ressourcen auf, verschmutzt die Umwelt und führt zu allen möglichen Problemen. Aber wenn wir schauen, was Menschen als Konsumenten glücklich macht, so sind es die Entscheidungen, die gleichzeitig nicht schädlich für die Umwelt sind. Eben wenn wir uns nicht materialistisch verhalten. Wenn wir sparsam sind. Wenn wir intrinsisch motiviert sind. Wenn wir uns auf Erlebnisse fokussieren. Ich habe eine ganze Liste dazu. Ich erhielt sehr positive Rückmeldungen zu meiner Präsentation.

Erhielten Sie aus dem Ausland auch Zuspruch?
Ein niederländischer Ökonom griff mein Thema auf. Teile meiner Arbeit habe ich übrigens im Herbst in den Niederlanden an der Erasmus Universität präsentiert. Sie hatten dort ein ganzes Programm zur Zufriedenheit und Ökonomie.

Wie beurteilen Sie übrigens das aufstrebende China? Der Mittelstand wird dort wohlhabender. Die Asiaten beginnen, mehr zu reisen.
Oft erscheinen Menschen dort sehr materialistisch zu sein. Sie suchen nach den schönen Markennamen.

Liegt es an der TV-Werbung?
Es gibt andere Theorien dazu. Ich habe in meinem Buch ein Kapital über Singapore. Es ist ein so wohlhabender und materialistischer Ort. Es ist kein besonders zufriedener Ort. Es gibt materialistische Kulturen. Es kann in der Kultur als Erfüllung gesehen werden materialistisch zu sein. Es wird sozusagen erwartet, wenn Sie erfolgreich sind. Es gibt sowohl im Osten als auch im Westen Menschen, die fühlen einen Zwang materialistisch zu sein, weil sie glauben, dass das von ihnen erwartet wird.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was machen Sie, wenn Sie in den Ruhestand gehen? Planen Sie ein neues Buch oder eine Reise?
Noch bin ich nicht im Ruhestand (lacht). Ich habe momentan keine Ambitionen. Ich habe natürlich eine Vielzahl an Projekten, für die ich mich interessiere und an denen ich arbeiten möchte.

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