Soziale Phobie – Jeder 20. hat Panik vor anderen Menschen

Dieses Leiden macht einsam: Etwa fünf Prozent der Deutschen haben eine sozialen Phobie. Sie haben Angst vor fremden Menschen. Sie fürchten, sich vor anderen zu blamieren oder zu versagen. Das beginnt oft schon in der Kindheit. Worauf Eltern achten können.

Johannes Peter Wolters war schon im Kindergarten ein Einzelgänger, brav und zurückhaltend. Später musste er seinen Beruf als Arzt nach sechs Jahren abbrechen - seine Ängste wurden zu groß. Die Angst vor anderen Menschen, die Angst zu versagen oder sich zu blamieren, fraß all seine Energie.

Der 60-Jährige leidet noch heute unter sozialer Phobie. Doch er hat gelernt, damit zu leben und den Verband der Selbsthilfe Soziale Phobie und Schüchternheit (VSSPS) mitgegründet. Er ermutigt andere, sich mit ihren sozialen Ängsten auseinanderzusetzen.

Angst, sich vor anderen zu blamieren

Rund fünf Prozent aller Deutschen sind zurzeit von sozialer Phobie betroffen. Diese Menschen fallen kaum auf, sind nett, freundlich, oft zurückgezogen. Jene, die ganz schlimm betroffen sind, sieht man gar nicht. Sie verkriechen sich in ihren Wohnungen, meiden jeden Kontakt zu Fremden. Andere bekommen Herzrasen bei dem Gedanken, ein Telefonat mit einem Fremden zu führen. Oder sie bekommen Schweißausbrüche, wenn die Einladung zu einer Fortbildung auf ihrem Schreibtisch landet.

Natürlich werden viele Menschen nervös, wenn sie vor anderen einen Vortrag halten sollen. „Aber soziale Phobie fängt dort an, wo ich die Angst nicht mehr überwinden kann und sie mich in meiner Lebensführung einschränkt“, erklärt Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP) in Krefeld. Im Vordergrund steht immer die Angst, sich vor anderen zu blamieren und von ihnen verurteilt zu werden. „Entscheidend ist nicht, dass man rot wird, sondern dass es andere negativ bewerten“, ergänzt Prof. Ulrich Stangier vom Institut für Psychologie an der Universität Frankfurt am Main.

Kinder lernen Vermeidungshaltung

Eltern sollten aufmerksam werden, wenn ihre Kinder plötzlich vor jedem Schultag Bauchschmerzen bekommen oder nicht mehr mit Freunden spielen wollen. Dann kann soziale Phobie eine Ursache sein. In der Regel lässt sie sich aber erst ab dem achten Lebensjahr feststellen. Vorher machen sich Kinder noch wenig Gedanken darum, wie andere sie bewerten. Durchschnittlich treten die sozialen Ängste mit 14 Jahren auf. Bei günstigem Krankheitsverlauf gehen die Ängste mit Beginn des Erwachsenenalters zurück. Bei anderen bleiben sie ein Leben lang.

Schon die Eltern von Johannes Peter Wolters mieden Herausforderungen in sozialen Situationen. Diese Vermeidungshaltung lernen Kinder schnell, ihr Selbstwertgefühl sinkt. Auch Eltern, die ihren Kindern durch übermäßige Kritik, Leistungsforderungen oder gar Misshandlung kein Selbstbewusstsein mit auf den Weg geben, fördern soziale Ängste.

Ermutigen und unterstützen

Eltern schüchterner Kinder sollten dem liebevoll und geduldig entgegenwirken. Wichtig ist vor allem Verständnis für die Sorgen des Kindes. „Es hilft keinem Jugendlichen, wenn seine Eltern ihn auffordern, sich zusammenzureißen“, sagt Stangier. Stattdessen sollten Eltern ihr Kind ermutigen, sich diesen Situationen zu stellen und es so weit wie möglich dabei begleiten. Das gleiche gilt für Erwachsene: Ein Erwachsener mit sozialen Ängsten sollte ebenfalls ermutigt und unterstützt werden, seine Ängste zu überwinden. Wenn der Leidensdruck zu groß wird, hilft nur der Gang zu einem Therapeuten.

1. Wer kann mir einen Therapeuten empfehlen?

Es kann sich lohnen, zu allererst den Hausarzt nach einem geeigneten Psychotherapeuten zu fragen. Wenn es gut läuft, stellt der Hausarzt sogar einen Kontakt her. Das ist hilfreich, weil die Wartezeiten auf einen Termin lang sind. Ein Drittel der Betroffenen bekam laut einer Umfrage der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) erst nach drei Monaten einen Termin.

Foto: dpa


„Zuerst müssen körperliche Störungen ausgeschlossen werden“, sagt Psychiaterin Roth-Sackenheim. Wenn da alles in Ordnung ist, kann eine Verhaltenstherapie oder eine tiefenpsychologische Therapie helfen. In der Verhaltenstherapie lernt der Betroffene, wie er seine Vermeidungshaltung überwindet, sich seinen Ängsten stellt und mit den Reaktionen anderer umgeht. „In bisherigen Studien haben wir bei 80 Prozent der Betroffenen deutliche Verbesserungen nach einer Verhaltenstherapie feststellen können“, sagt Prof. Stangier. Die tiefenpsychologische Therapie sucht nach inneren Konflikten, die Ursache für die sozialen Ängste sein könnten.

Hilfe im Internet

Informationen und Hilfe finden Menschen mit sozialer Phobie auch im Internet. Hier können sie Kontakt zu Selbsthilfegruppen oder Therapeuten aufnehmen, wenn die Ängste einen Telefonanruf verhindern.

Arachnophobie, die Angst vor Spinnen kennt so gut wie jeder. Auch vor dem Zahnarzt entwickeln viele eine Angststörung. Daneben gibt es Phobie-Kuriositäten. Wer an Arachibutyrophobie leidet, hat Angst vor Erdnussbutter. Er fürchtet ganz konkret, dass diese im Gaumen kleben bleibt. Das kommt im englischsprachigen Raum, wo „Peanut Butter“ häufiger verzehrt wird, entsprechend öfter vor.

Foto: yaybiscuits123/Flickr


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