Sorgerechts-Gutachten sind oft mangelhaft

Hagen.

Erhebliche handwerkliche Fehler bei der Erstellung rechtspsychologischer Gutachten für Familiengerichte haben die Hagener Psychologie-Professoren Christel Salewski und Stefan Stürmer bei der Analyse von 116 solcher Gutachten festgestellt. Nur eine Minderheit erfülle die fachlich geforderten Qualitätsstandards, so Salewski. Sie nannte den Befund „alarmierend“, da Familienrichter ihre Entscheidungen über Sorge-, Aufenthalts- und Umgangsrecht von Kindern in starkem Maße auf die Empfehlungen der Sachverständigen stützten.

Das Landesjustizministerium nimmt die Untersuchung nach eigenen Angaben „sehr ernst“, regt aber eine größere bundesweite Untersuchung an, weil unklar sei, ob die Ergebnisse repräsentativ seien und verweist darauf, dass Gutachten zwar herangezogen würden, aber die Richter ihre Entscheidungen aus langjähriger Erfahrung träfen.

Die Wissenschaftler der Fernuniversität haben sämtliche familienrechtspsychologischen Gutachten der Jahre 2010 und 2011 von vier Amtsgerichten aus dem Bezirk des Oberlandesgerichtes Hamm untersucht. „Zur Beurteilung der Frage, ob die Stichprobe repräsentativ für ganz Deutschland ist, wären noch weitere Untersuchungen nötig, aber wir halten es für unwahrscheinlich, dass wir uns besonders schlechte Amtsgerichte vorgenommen haben“, sagt Stürmer. Auch sei das Thema nicht gänzlich neu. Bisher seien Gutachtermängel in den Medien aber nur auf Basis von Einzelfällen diskutiert worden.

Die wichtigsten festgestellten Verstöße gegen die Richtlinien für die Erstellung psychologischer Gutachten: In 56 Prozent der Fälle wurde aus der gerichtlichen Fragestellung keine psychologische Fragestellung als Arbeitshypothese hergeleitet. In 85,5 Prozent der Fälle wurden die eingesetzten diagnostischen Verfahren nicht anhand der psychologischen Fragestellung begründet. In 35 Prozent der Fälle wurden ausschließlich methodisch problematische Verfahren angewandt.

Harald Ries

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