„Seine Fußstapfen werden frei bleiben“

Gedenken an Prof. Horst-Eberhard Richter - Mehr als 100 Gäste am Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie Gie ßen

(fod). Mit einer würdigen Gedenkfeier und den Erinnerungen zahlreicher Weggefährten und Mitarbeiter gedachten Freunde und Kollegen am Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie Gießen dem am 19. Dezember verstorbenen Gründer Prof. Horst-Eberhard Richter. Über 100 Gäste, darunter auch Angehörige wie seine Witwe Bergrun Richter, blickten gemeinsam zurück auf das Leben und Wirken des bedeutenden Psychoanalytikers und Friedensaktivisten. Der Andrang war derart groß, dass die Sitzplätze im Saal nicht ausreichen sollten.

„Das Ende seines so reichhaltigen Lebens wird eine bleibende, tiefe Narbe hinterlassen. Seine Fußstapfen werden frei bleiben“, betonte Institutsvorsitzende Diplom-Psychologin Elvira Selow in ihren Begrüßungsworten. Wie ihr war jedem Redner die Trauer über den Tod Richters anzumerken. So erinnerten sich einige, dass er und seine Arbeiten überhaupt erst für ihren Entschluss, sich beruflich der Psychologie und Psychiatrie zuzuwenden, gesorgt hatten. „Für viele von uns war er ein geistiger Ziehvater“, sagte Elke Rosenstock-Heinz. Dabei bewunderte Dr. Albrecht Köhl vor allem Richters Eigenschaft, „alle so anzusprechen, dass sich keiner bevormundet oder zurückgesetzt fühlte“. Er sei ein Mann gewesen, „der vor keiner Autorität kuschte und sich den Ausgestoßenen der Gesellschaft zuwandte“. Während sich die Psychologin Dr. Marianne Jarka „fachlich und menschlich durch ihn sehr bereichert fühlte“.

„Mutige Streitsamkeit“

Dr. Terje Neraal hingegen habe „die mutige Streitbarkeit und Beharrlichkeit“ des Verstorbenen am meisten beeindruckt. Als sich dieser „unaufhörlich für Frieden und Mitmenschlichkeit einsetzte“, wie Prof. Ulrich Gottstein hervorhob. „Er war immer am Puls der Zeit, und ihr auch oft ein Stück voraus“, meinte Prof. Hans-Jürgen Wirth. Dabei habe Richter „uns viele Impulse hinterlassen, die zukünftige Diskussionen noch bereichern können“. So wusste Terje Neraal zu berichten, dass sich Horst-Eberhard Richter in seinem letzten, vor dem Tode verfassten Manuskript mit der „Occupy“-Bewegung und den dort engagierten jungen Leuten befasst hatte. Angesichts seines gesellschaftlichen und politischen Engagements wäre Richter „der richtige Bundespräsident gewesen“, folgerte Neraal. Habe sich der Verstorbene doch „stets als Mahner und Ideengeber“ hervorgetan, sei „nicht immer bequem, aber immer anregend gewesen“, wie Elke Rosenstock-Heinz ausführte.

Für Dr. Dorothea von Ritter-Röhr war Richter „bereits zu Lebzeiten eine Ikone“. Nicht nur, weil es ihm gelungen sei, „mit seinen politischen Stellungnahmen vieles zu bewirken, was heute als selbstverständlich betrachtet wird“. Sondern auch, weil er es geschafft habe, in Psychologie und Psychiatrie Neues zu implementieren, und sich für Interdisziplinarität einsetzte, und das häufig gegen gewaltige Widerstände. So sei die Justus-Liebig-Universität auch dank Richter bei der Einführung von Studienfächern wie Medizinische Psychologie oder Medizinische Soziologie Vorreiter gewesen, berichtete sie. Ulrich Gottstein rief danach Richters Wirken als Mitbegründer der deutschen Sektion der Friedensorganisation Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW) in Erinnerung, die mit ihrer Dachorganisation 1985 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden war. „Schon jetzt fehlt er, seine Analysen und Diskussionsbeiträge“, zeigte sich Gottstein überzeugt, dass sein Kollege auch zu Themen der aktuellen Tagespolitik viel zu sagen gehabt hätte. Prof. Hans Müller-Braunschweig erinnerte sich zudem an die gemeinsamen Studienjahre mit Horst-Eberhard Richter vor über 60 Jahren. „Er wusste, wovon er sprach“, habe ihn dies schon früh bei seinem Kommilitonen beeindruckt. Viele Jahre später sollte er Richters Nachfolger als Institutsleiter werden. Musikalisch umrahmt wurde die Feier, an der auch Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz teilnahm, von Susanne Oehler (Querflöte) und Torsten Oehler (Violoncello).

Leave a Reply