Schweigen ist Silber, Reden ist Gold: Tabuthema Geld – ka

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«Ich bin glücklich, mit und ohne Geld.» Wenn Geldcoach Christina Kanese aus Hamburg ihre Kunden diesen Satz sagen lässt, ist die Reaktion meist dieselbe: Die meisten fingen an zu lachen, erzählt die Trainerin. «Kunden, die zu mir kommen, haben oft ein komisches Bauchgefühl, wenn es um Geld geht.» Aber genau diese innere Unabhängigkeit, auch ohne Geld glücklich zu sein, sei wichtig für einen freien Umgang damit.

Oft werde auf Geld Sicherheit, Macht oder Freiheit projiziert, was die Kunden jedoch meist hemme. «Geld macht glücklich. Geld bedeutet Macht und Sicherheit. Das alles sind Projektionen, die uns von Geld abhängig machen können», erklärt Finanzpsychologin Monika Müller aus Wiesbaden. In ihrer Arbeit versucht die Wissenschaftlerin, dem Tabu und seinen gesellschaftlichen Auswirkungen nachzuspüren.

Das Problem: Viele Menschen definierten ihren Wert über ihr Einkommen, Statussymbole oder einen tollen Job. Die Folgen seien Neid, Depressionen und ein schwaches Selbstwertgefühl. Oft bestehe im tabuisierten Umgang mit Geld ein Zusammenhang mit der Einstellung der Eltern zum Geld. «Der Umgang mit Geld ist erlernt», erklärt Müller. «Wenn die Eltern nicht offen über Geld reden, es tabuisieren oder Projektionen vorleben, prägt uns das.»

Der Umgang der Eltern mit Geld bestimme auch den eigenen Umgang damit, hat auch Trainerin Christina Kanese beobachtet. Deswegen wird in ihren Seminaren auch die sogenannte Geldtradition angesprochen, das heißt, wie der elterliche Umgang mit Geld aussah. Hier ließen sich die Probleme am leichtesten erkennen. «War zum Beispiel in der Familie das Geld immer knapp und hat sich die Mutter dafür geschämt, verbinde ich später Scham mit Geld», erklärt die Trainerin.

Eine solche unbewusste Verbindung kann sich auch im täglichen Umgang mit Geld auswirken. So trauen sich Betroffene möglicherweise in Gesprächen mit dem Chef nicht, nach einer Gehaltserhöhung zu fragen, weil sie sich schämen. Doch solcher negativer Assoziationen sind sich viele Menschen gar nicht klar. «Indem ich mit den Kunden spreche, mache ich ihnen das bewusst, und das ist oft schon ein großer Schritt hin zu einem selbstbestimmteren Umgang mit Geld.»

Das Problem sei nicht, dass überhaupt nicht über Geld geredet wird. «Sondern dass meist in negativer Form über Geld geredet wird, wie 'Ich hab zu wenig'», sagt Stefan Hradil, Professor für Soziologie an der Universität in Mainz. Diese eingeschränkte Kommunikation über Geld sei fatal, da es viele Bereiche gebe, in denen man aktiv mit Geld umgehen muss, sei es bei der Altersvorsorge oder der Wahl der richtigen Geldanlage.

Mit ihren Seminarangeboten wollen die Geld- oder Finanzcoaches helfen, das Thema zu enttabuisieren. Christina Kanese kann dabei auf ihre eigene Erfahrung zurückgreifen. Die Diplom-Volkswirtin hat viele Jahre in der Finanzbranche gearbeitet. Für sie sei es wichtig, auch die psychologische Dimension des Geldes zu erfassen. «Unser Gehirn funktioniert beim Thema Geld eben nicht wie sonst», findet sie.

Ihr Kollege Christoph Simon aus Berlin versucht in seinen Seminaren, zunächst den grundlegenden Überzeugungen der Teilnehmer zum Thema Geld auf den Grund zu gehen. «Leute, die zu mir kommen, haben oft das Gefühl, das Geld stehe ihnen nicht zu oder dass sie es nicht so leicht verdienen dürften.» Diese Ängste übertrügen sie auf Geld. Seine Arbeit bestehe darin, solche Ängste zu besprechen, aufzuarbeiten und aufzulösen.

Solche Seminare könnten Verbrauchern durchaus helfen, unbefangener mit dem Thema Geld umzugehen, findet Prof. Hradil. Vorher sollten sie aber selbst versuchen, ihre Probleme zu klären. Finanzpsychologin Müller hat dafür einen simplen Tipp: Verbraucher sollten einen Zettel zur Hand nehmen und alle Assoziationen zum Thema Geld aufschreiben, empfiehlt sie. Auf diese Weise finde man möglicherweise schon die ein oder andere Ursache für seinen verkrampften Umgang mit dem Thema Geld.

Einen ähnlichen Tipp hat Christine Kanese: «Generell sollte jeder einmal sehr bewusst darauf achten, was er mit Geld verbindet», empfiehlt sie. «Auch Sprüche zum Thema Geld sollten ganz bewusst angeschaut werden. Und auch die eigene Geldtradition sollte erforscht werden.»

Bevor Verbraucher dann zu einem Seminar gehen, sollten sie das Angebot genau studieren. Denn nicht jedes Angebot ist seriös. Wenn etwa versprochen wird, dass Teilnehmer nach dem Seminar mehr Geld haben, sei Vorsicht angebracht. «Das ist nicht der Sinn des Geldcoachings», erklärt Monika Müller.

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