„Schwarze Schafe“ unter Bankern einfangen – e

Gerhard Minnameier:Es kommt darauf an, wie man es versteht. Das Image des Homo Oeconomicus hat sich ja in den letzten zwanzig Jahren sehr gewandelt. Um die Jahrhundertwende herum hat man das Konstrukt des Homo Oeconomicus als völlig weltfremd verurteilt und die These vertreten, dass sich Menschen real völlig anders verhalten. Seit einigen Jahren schwenkt das wieder um. Studien aus der Sozialpsychologie, aber auch aus der experimentellen Ökonomik haben gezeigt, dass die Menschen oft „moralische Heuchler“ sind. Sie sind nur dann moralisch, wenn sie nach außen zeigen können, dass sie damit soziale Standards erfüllen, und somit von sozialer Belohnung ausgehen oder von der Vermeidung sozialer Sanktionen. Die Forscher nennen das „moral hypocrisy“. Damit kehrt der Homo Oeconomicus gewissermaßen wieder in neuem Gewand zurück.

Allerdings geht und ging niemand jemals davon aus, dass reale Menschen rein eigeninteressiert seien wie der modellhafte Homo Oeconomicus. Ich verstehe das Konzept des Homo Oeconomicus abstrakter im Sinne eines Schemas für die Analyse menschlichen Handelns. Nach dem Rational-Choice-Ansatz lässt sich menschliches Handeln als Nutzenmaximierung unter Restriktionen verstehen. Das gilt auch für die Verfolgung moralischer Ziele bzw. die Realisierung moralischer Ansprüche. Dabei zeigt sich, dass Rationalität und Moralität zusammengehören. Es ist meines Erachtens wirtschaftsethisch und wirtschaftspädagogisch falsch, sie gegeneinander in Stellung bringen zu wollen. Dieser Punkt deutet allerdings auch die Möglichkeit an, dass Menschen im Sinne ihrer eigenen Ziele irrational oder ineffizient handeln. Hier stellt sich die Frage, wie das im Denken von Individuen erkannt und verarbeitet wird. Dieser Aspekt ist ebenfalls Teil meiner Forschung im Rahmen der „Inferentiellen Lerntheorie“.

Vielen Dank für das Gespräch!

Über Gerhard Minnameier

Gerhard Minnameier ist seit April 2011 Inhaber der Professur für Wirtschaftsethik und Wirtschaftspädagogik an der Goethe-Universität Frankfurt. Seine Forschungsgebiete umfassen die Entwicklung moralischen Denkens und Handelns in wirtschaftlichen und beruflichen Kontexten, Wirtschaftspädagogik im Kontext von Individual-, Unternehmens- und Ordnungsethik, Lehr-Lern-Forschung, Didaktik der Beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie Kompetenzerwerb und Kompetenzentwicklung. Vor seinem Wechsel nach Frankfurt hatte Minnameier von 2005 bis 2011 den Lehrstuhl für Berufs- und Wirtschaftspädagogik an der RWTH Aachen inne. Weitere Stationen waren die Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie die Universität Erlangen-Nürnberg.

www.uni-frankfurt.de

Ausgewählte Publikationen von Gerhard Minnameier zum Thema

Heinrichs, K., Minnameier, G., Gutzwiller-Helfenfinger, E., Latzko, B. (eingereicht)
„‚Don’t worry, be happy‘? – Das Happy-Victimizer-Phänomen im berufs- und wirtschaftspädagogischen Kontext.“ Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik.

Heinrichs, K., Minnameier, G., Beck, K. (2014) 
„Ethical and moral considerations on entrepreneurship education“, in: S. Weber, F.K. Oser, F. Achtenhagen, M. Fretschner, S. Trost, Becoming an Entrepreneur, S. 197-215.

Minnameier, G. (2013) 
„Der homo oeconomicus als ‚happy victimizer‘“, Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik, 14/2, S. 136-156.

Minnameier, G., Schmidt, S. (2013) 
“Situational moral adjustment and the happy victimizer.” European Journal of Developmental Psychology, Vol. 10, pp. 253-268.

Minnameier, G. (2012) 
“A cognitive approach to the ‘happy victimiser’”. Journal of Moral Education, Vol. 41, pp. 491-508.

Minnameier, G. (2012) 
„Marktmechanismus und Moral – berufsethische Orientierungen für Kaufleute in wirtschaftsdidaktischer Sicht“, in: V. J. Vanberg (Hrsg.), Marktwirtschaft und soziale Gerechtigkeit, Tübingen, S. 303-324.

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