Schlaue Schüler vor der Kamera

„Kann's jetzt endlich losgehen?“, ruft dann doch ein Schüler in die Stille. Die Fernsehleute lachen kurz, wuseln dann aber weiter umher, wechseln die Objektive, richten die Scheinwerfer aus, besprechen den Ablauf. Das ist ungewohnt für die Erstklässler.

Schließlich stehen sie ja nicht jeden Tag vor der Kamera. Und die wenigsten haben schon mal gesehen, wie Fernsehbilder entstehen. Die allermeisten kennen nur das Ergebnis – den fertigen Film. Wie so ein kurzer Beitrag entsteht und ins Fernsehen kommt, erleben sie am Mittwochvormittag zum ersten Mal.

Elfen suchen Diamanten

Das Fernsehen interessiert sich für das Denken der Schüler. Genauer gesagt, für ihre kognitiven Fähigkeiten, wie es in der Psychologie heißt. Die Lehramtsstudentin Julia Voglgsang hat für ihre Zulassungsarbeit mit den Schülern der Grundschule Röttingen ein Computerspiel ausprobiert. Dabei begeben sich zwei Elfenkinder auf die Suche nach dem blauen Diamanten der Weisheit. Und wer am Ende den Diamanten findet, dem wird Klugheit vermittelt.

Anfangs sind die Knobelaufgaben noch leicht. Zunächst müssen die Kinder Gemeinsamkeiten erkennen, dann Unterschiede. Es wird immer schwieriger. Selbst die Klassenleiterin muss bei einer Aufgabe genau hinsehen und braucht gute fünf Minuten für die Lösung. Jeder, der schon einmal einen Intelligenztest gemacht hat oder bei der Bundeswehr gemustert wurde, kennt das.

Spaß am Computerspiel

Das Computerspiel wurde am Lehrstuhl Pädagogische Psychologie der Universität Würzburg entwickelt. Die Kinder haben Spaß dran. Wenn sie nicht mehr weiter wissen, hilft ihnen Osarion – ein weiser Elf, der Tipps gibt. Den Weg zum blauen Diamanten können die Kinder auf einer Art Schatzkarte verfolgen und so sehen, wie nahe sie dem Ziel sind. 120 Aufgaben müssen sie in kleinen Gruppen insgesamt lösen.

Nach und nach lernen die Schüler so, strategisch zu denken und systematisch zu vergleichen. Sie lernen, Schlussfolgerungen zu ziehen, sagt Wolfgang Lenhard vom Lehrstuhl für Psychologie IV an der Würzburger Universität. Und das wirkt sich schließlich auch auf die Noten aus. Das Training hilft schwächeren Schülern besser zu werden, an die Leistungsstarken aufzuschließen, behauptet Lenhard.

Klassenlehrerin Birgit Daxhammer kann dies noch nicht bestätigen. Sie hat die 1 a erst drei Wochen vor dem Test übernommen. Ihr fehlen also die Vergleiche. So lächelt sie nur und sagt: „Ich hatte vorher superfitte Schüler und die habe ich immer noch.“

Der Erfolg des Denktrainings lässt sich durch einheitliche Intelligenztests für Grundschüler nachweisen, so Lenhard. Die Ergebnisse der Röttinger Erstklässler sind noch nicht ausgewertet. Aber der Uni-Dozent ist sich sicher, dass die Ergebnisse in Röttingen mit denen im Lernbehindertenbereich zu vergleichen sind.

Dort hat sich gezeigt, dass es nach dem Denk-Training kein Kind mehr gab, dessen Intelligenzquotient unter 90 lag. „Durchschnittlich hat sich jeder Schüler um zwölf Punkte verbessert“, sagt der Psychologe.

Inzwischen ist eine Dreiviertelstunde vergangen und Wolfgang Lenhard und seine Studentin Julia Voglgsang verteilen immer noch die Intelligenztests an die Schüler. Zum x-ten Mal. Die Fernsehbilder müssen sitzen. Die Szenen werden mehrmals wiederholt.

Die Schüler halten durch, sind auch nach drei Stunden noch konzentriert. Später, im Computerraum, schalten sie völlig ab. Sind in ihrer eigenen Welt. Eine Schülerin merkt gar nicht, dass der Reporter ihr Fragen stellt, so sehr ist sie mit dem Spiel beschäftigt.

„Das war eine Glanzleistung der Kinder“, sagt die Klassenlehrerin nach den Dreharbeiten. Tapfer haben sie durchgehalten, vielleicht auch, weil sie jetzt besser denken können.

Der Beitrag über die Röttinger Grundschüler ist am Sonntag, 1. April um 21.15 Uhr in der Sendung „Faszination Wissen“ im Bayerischen Fernsehen zu sehen.

Leave a Reply