Schlafstörungen: Der frühe Vogel ist ziemlich fies!

Von Psychologie aktuell Redakteurin Susanne Frisch.

Ein oft unterschätzter Faktor des Stressmanagements ist ausreichend langer und ausreichend erholsamer Nachtschlaf. Schlafstörungen sind mittlerweile eine Volkskrankheit, die immer noch viel zu sehr auf die leichte Schulter genommen wird. Dies gilt auch für das Pflegen einer gesunden Tagesrhythmik. Das Problem der modernen Gesellschaften ist weniger der Stresspegel per se als die Tatsache, dass der moderne Mensch arrhythmisch lebt.

Schlafstörungen sind ein gesellschaftliches Megaproblem!

Die Häufigkeit des Auftretens in der Bevölkerung ist letztlich davon abhängig, was man als "Schlafstörung" definiert. Sie reicht von knapp 5% bis zu etwa 45%. Die Frage, ab welchem Zeitpunkt ein gestörter Schlaf aus medizinischer Sicht als krankhafte Schlafstörung zu bezeichnen ist, kann daher nicht allgemeingültig beantwortet werden. Aus Sicht des Stressmanagements und der Prävention ist jeder als unzureichend empfundener Schlaf schon ein ausreichendes Alarmzeichen!

Ist jeder Dritte betroffen?

In der Praxis ist anzunehmen, dass etwa ein Drittel aller Menschen in den westlichen Industrieländern mehr oder weniger ausgeprägte Schlafstörungen aufweisen. Bei etwa 17% bestehen dabei auch tagsüber Müdigkeit und eine allgemeine Einschränkung der Leistungsfähigkeit. Nennenswerte Schlafstörungen allein durch schlechte Schlafgewohnheiten weisen etwa 4% aller Heranwachsenden und jungen Erwachsenen auf.

Veränderungen der Rhythmen?

Vor allem betagtere Menschen wachen mehrmals in der Nacht auf und haben grundsätzlich eine geringere "Weckschwelle". Auffälligkeiten während des Schlafens, so genannte "Parasomnien", treten gehäuft im Kindesalter und nach dem 65. Lebensjahr auf.

Durch neurologische Krankheiten wie etwa Multiple Sklerose oder Parkinson kann es zum Schenk-Syndrom und anderen REM-Schlaf-Störungen kommen. Einige Erwachsenen leiden zudem an Schlafwandeln, Schlafstörungen durch nächtlichen Hunger oder an Nachtangst.

Was ist normal?

Für Schlafstörungen gibt es viele Ursachen und bezüglich der Schlafdauer formuliert die Deutsche Gesellschaft für Schlafmedizin in der AWMF-Leitlinie: "Es gibt keine verbindliche zeitliche Norm für die Menge an Schlaf, die erforderlich ist, eine Erholsamkeit zu gewährleisten. Die meisten Menschen kennen aus eigener Erfahrung ihre erforderliche Schlafmenge".

Sind Sie eine Eule oder eine Lerche?

Einer der häufigsten Gründe für Schlafstörungen und die Entstehung von anhaltendem Stress ist die Verletzung des eigenen Chronotyps. Obgleich auf das Konto dieses Problems ein Großteil der Schlafstörungen geht, ist es in der Allgemeinbevölkerung und der Medizin ein nach wie vor kaum bekanntes Problem. Dies erstaunt umso mehr, da es sehr gut erforscht ist: Menschen sind genetisch bedingt entweder Eulen, Lerchen oder Mischtypen.

Was passiert da?

Man muss dabei zunächst verstehen, dass es weder gut noch schlecht ist, wann ein Mensch zu Bett geht. Was wohl tut, hängt einzig und allein vom individuellen "Chronotyp" ab. Der berühmte "frühe Vogel", der "den Wurm fängt" ist für einen Großteil der Population ziemlicher Unsinn. Wissenschaftlich korrekt werden Menschen in drei Chronotypen eingeteilt:

  • Der ideale Schlafbeginn der Eulen beginnt tief in der Nacht und ihre Schlafphasen reichen bis in den Vormittag hinein.
  • Lerchen dagegen haben ihr ideales Zeitfenster für den Schlaf zwischen dem frühen Abend und dem frühen Morgen.
  • Mischtypen weisen innerhalb dieses Spektrums eine gewisse Flexibilität auf.

Verbunden mit diesen Schlaf-Wach-Mustern sind jeweils voneinander abweichende zirkadiane Leistungsgipfel und Belastbarkeitstiefs.

In der Steinzeit war diese Streuung überlebenswichtig!

Evolutionär machen diese gegenläufigen Konstitutionen absolut Sinn, ja sie erscheinen sogar geradezu zwingend. Denn auf diese Weise war in der Frühzeit der Menschheit eine Art natürlicher Schichtbetrieb sichergestellt, der sicherstellte, dass immer jemand wach war, um das Feuer zu hüten und den Säbelzahntiger von der Höhle fernzuhalten.

Dann jedoch wurden die Menschen sesshaft, fingen mit dem Ackerbau an und plötzlich war es wichtiger, mit dem Tageslicht zu gehen, vor allem in den nördlichen Breiten, in denen gerade im Winter die Tage sehr kurz und lichtarm sind. So entstand in Europa der Mythos vom "guten" Frühaufsteher und vom "bösen" Spätschläfer. Heute weiß man jedoch, dass dies Unsinn ist.

Frühaufstehen ist kein Wert an sich. Es wirkt sich auf den Chronotyp der „Eule" sogar krankmachend aus.

Dass frühem Aufstehen ein besonderer Wert beigemessen wird, hat seine Quelle also keineswegs in der Biologie, sondern in der Kultur, die vor der Erfindung der Elektrizität an einer effektiven Ausnutzung des Tageslichts interessiert war. Die Lerchen hatten somit kulturell "gewonnen", die Eulen leben seither im sozialen Jetlag.

Die Qualen der Eulen-Kinder!

Forscher haben längst nachgewiesen, dass es beispielsweise völlig irrsinnig und krankmachend ist, "Eulen"-Kinder morgens vor 9 Uhr mit Mathematik zu bombardieren oder Besprechungen für "Lerchen"-Manager um 19 Uhr zu terminieren.

Derartige Zuwiderhandlungen gegen den natürlichen, individuellen Schlaf-/Wachrhythmus sind derart schädlich, dass auch kein Sport und keine gesunde Ernährung dies vollständig kompensieren kann. Schlafstörungen und andere ernste Gesundheitsschäden sind die Folge.

  • Gegen seinen biologischen Rhythmus zu leben, setzt den Körper und die Psyche in einen Dauerstress.
  • Der Fetisch des frühen Aufstehens ist eine Gefahr für die Volksgesundheit.

Gegen diese Anlage der Natur kann man nichts ausrichten, man sollte sich mit ihr bestmöglich arrangieren.

Sind Umerziehungen möglich?

Die Umerziehung einer Eule zu einer Lerche ist unmöglich, Versuche haben schwere gesundheitliche Schäden zur Folge. Leider hält sich jedoch auch bei vielen Ärzten immer noch die irrige Meinung, frühes Aufstehen sei gut.

Krankenhäuser und Reha-Kliniken als Orte der Eulen-Folter?

So manche Reha-Maßnahme richtet alleine schon dadurch einen verheerenden Schaden an, weil der deutsche Klinikbetrieb grundsätzlich und in extremer Weise am Lerchen-Rhythmus ausgerichtet ist. Ohne Rücksicht auf wissenschaftliche Fakten wird in Turnvater-Jahn-Manier an den Irrungen und Mythen der Vergangenheit festgehalten - zum Schaden gut eines Drittels der Patienten. Im wissenschaftlichen Sinne handelt es sich dabei um schwere Körperverletzung.

Was ist zu tun?

Neben der Abklärung der Frage, ob einer Schlafstörungen eine Krankheit zugrunde liegt, sollte man daher sehr energisch darauf achten, dass man möglichst entlang seiner eigenen Rhythmik lebt und schläft. Im Extremfall kann dafür sogar ein Jobwechsel ratsam sein. Kein Arzt und kein Therapeut dieser Welt kann Schlafstörungen heilen, die nicht medizinisch verursacht sind, sondern durch eine dem individuellen Biorhythmus entgegenstehende Lebensweise.

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