"Schlafen kann ich, wenn ich tot bin"


09.06.2012 02:55 Uhr Kultur

Vor 30 Jahren starb Rainer Werner Fassbinder, einst Leiter des Frankfurter TAT und einer der wichtigsten deutschen Nachkriegs-Filmemacher.

Von Britta Schultejans (dpa)

Rainer Werner Fassbinder im Jahr 1977 in München. Foto: dpaSeine Ansprüche waren stets alles andere als bescheiden: "Ich möchte für das Kino sein, was Shakespeare fürs Theater, Marx für die Politik und Freud für die Psychologie war: Jemand, nach dem nichts mehr ist wie zuvor", sagte Rainer Werner Fassbinder einmal. Viel Zeit hatte er dafür nicht. Im Alter von nur 37 Jahren starb der Regisseur am 10. Juni 1982 in seiner Münchner Wohnung.

Seine exzessive Leidenschaft für den Film ist bekannt – und sie zeigt sich schon in seiner Aufnahmeprüfung für die Filmhochschule. Als Antwort auf die Frage, welchen Film er zuletzt gesehen und wie er ihm gefallen habe, schreibt er eine ganze Seite. Auf die Frage, ob er die verfassungsgemäßen Unterschiede zwischen Bundes- und früherem Reichskanzler skizzieren kann, antwortet er schlicht mit "Nein". Das Ergebnis ist Geschichte: Fassbinder schaffte die Aufnahmeprüfung nicht. Die Filmhochschule lehnte ihn ab.

Exzessive Arbeitswut

Diese kleine, aber aussagekräftige Episode seines bewegten Lebens zeigt das Deutsche Theatermuseum in München derzeit in einer großen Fassbinder-Ausstellung. Mit 40 Spielfilmen in nur 13 Jahren und Entdeckungen wie der Schauspielerin Hanna Schygulla wurde Fassbinder neben Wim Wenders und Werner Herzog zu einem der erfolgreichsten Filmregisseure im Nachkriegsdeutschland. 17 Theaterstücke schrieb er noch dazu. Seine Arbeitswut formulierte er zu dem berühmten Satz: "Schlafen kann ich, wenn ich tot bin."

Ursache für Fassbinders frühen Tod war wohl eine (versehentliche) Überdosis Kokain. Wie alles bei ihm hatte auch sein Alkoholkonsum schnell exzessive Formen angenommen. Seine vulkanartigen Wutausbrüche waren Anlass für viele Anekdoten. sind inzwischen Teil der Filmgeschichte. So schreibt Fassbinder-Biograf Jürgen Trimborn in seinem jüngst erschienenen Buch "Ein Tag ist ein Jahr ist ein Leben": "Nicht selten kam es bei der Arbeit zu Prügeleien". Als Fassbinder sich einmal über einen Herstellungsleiter aufregte, habe er geschrien: "Jetzt schlag’ ich dir die Schnauze ein, du fettes, dickes Schwein. Ich bring’ dich um, ich schlitz’ dich auf!"

Der Müll und die Stadt

Bekannt ist Fassbinders zerrissene und unglückliche Kindheit, geprägt von Zurückweisung und Einsamkeit. Es war der Start in ein turbulentes und alles andere als bürgerliches Leben. Fassbinders Münchner Wohnung hieß mitunter "Bumsburg". In einer Pariser Schwulensauna wurde er einmal verhaftet. Eine unerfüllte Liebe hegte er zu seinem "bayerischen Neger", dem kürzlich verstorbenen Günther Kaufmann. Auch mit Hanna Schygulla war er liiert, und verheiratet für zwei Jahre mit der Schauspielerin Ingrid Caven. Lange vor seinem Erfolg, so schreibt Trimborn, prostituierte der homosexuelle Fassbinder sich. Der Autor zitiert den Filmproduzenten Michael Fengler: "Für ihn war es eine ganz natürliche Sache, sich kaufen zu lassen, er hatte da gar keine wie auch immer gearteten Bedenken."

Obwohl seine größte Liebe von Anfang an dem Film galt, machte Fassbinder einen Umweg über das Theater. Das Theatermuseum in München zeigt ihn derzeit als Theaterpionier, der am Münchner Action-Theater, als Intendant des TAT (Theater am Turm) in Frankfurt und mit seinen Stücken das Theater erneuerte. In Frankfurt wurde auch sein umstrittenes Stück "Der Müll, die Stadt und der Tod" abgesetzt. Die Uraufführung am Schauspielhaus kam nicht zustande, weil die Jüdische Gemeinde dem Drama, das von Bauspekulation handelt, Judenfeindlichkeit vorgeworfen hatte.

Artikel vom 09. Juni 2012, 03.21 Uhr (letzte Änderung 09. Juni 2012, 10.06 Uhr)

 

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