Schall im Ohr

Bild als E-Card versenden

"Bohre ich zum Beispiel ein Loch in eine Wand, bewerte ich das Geräusch der Bohrmaschine positiv, weil es mir sagt: Aha, es funktioniert", sagt Guski. Der Nachbar sehe das im Zweifel aber ganz anders. "Und je nachdem, wie das Verhältnis der Nachbarn untereinander ist, stört das Bohren sehr oder gar nicht. Das Lärmempfinden ist also subjektiv."

Der Körper reagiere auf jeden Schall je nach Lautstärke unterschiedlich stark. Und wer erst einmal verärgert sei, reagiere auf jede Wiederholung, auf jedes vorbeifahrende Auto, auf jede Bohrmaschine heftiger, erläutert Guski: "Der Puls schnellt in die Höhe, Stresshormone werden ausgeschüttet und der Kreislauf wird angekurbelt. Wer in seinem Alltag ständig Lärm ausgesetzt ist, kann auf Dauer krank werden - besonders dann, wenn er nachts im Schlaf gestört wird.” "Geräusche sind dann Lärm, wenn sie uns beeinträchtigen", sagt auch der Berliner Lärmexperte Michael Jäcker-Cüppers. Der Diplom-Ingenieur ist Lehrbeauftragter an der TU Berlin für den Bereich Städtebaulicher Lärmschutz und berät das Bundesumweltministerium. Die Beeinträchtigung geschehe auf zwei Ebenen: Zum einen könne ein Geräusch subjektiv als belästigend empfunden werden. Zum anderen beeinflusse Lärm zum Teil unbewusst die Gesundheit.

Dauerlärm belastet besonders

"Ein Geräusch kann uns zum Beispiel mehrmals in der Nacht wecken, ohne dass wir es bewusst mitbekommen", sagt Jäcker-Cüppers. Je länger die Betroffenen einem dauerhaften Lärmpegel ausgesetzt seien, desto stärker werde das Herz-Kreislaufsystem belastet. "Es klingt immer erst mal sehr beunruhigend, wenn es heißt: Lärm bedroht die Gesundheit", sagt Guski. Es lägen zwar unterschiedliche Studien vor, aus denen hervorgehe, dass schon bei einem dauerhaften Lärmpegel von mehr als 60 Dezibel das Risiko für einen Herzinfarkt steigen könne. Aber die Aussage "Lärm macht krank" müsse differenziert betrachtet werden. Menschen reagierten ganz unterschiedlich auf Lärmbelastung, sagt Guski. Es gebe nicht immer einen Zusammenhang zwischen der messbaren Schwere der Lärmbelastung und der empfundenen Belastung.

Mensch passt sein Verhalten an

Viel Belastung bedeute also nicht unbedingt, dass die Betroffenen auch krank würden. Allerdings sinke die Lebens- und Wohnqualität mit zunehmendem Lärm und das verschlimmere sich, je länger man den störenden Geräuschen ausgesetzt sei. Denn an Lärm könne man sich nicht gewöhnen, sagt der Psychologe. "Was geschieht, ist, dass die Menschen ihr Verhalten anpassen. Das heißt, sie schlafen immer bei geschlossenem Fenster, nutzen ihren Balkon oder ihren Garten nicht und gehen im Zweifel kaum noch vor die Tür."

Für die Menschen in Deutschland ist Lärm eine der am stärksten empfundenen Umweltbelastungen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage unter etwa 2 000 Erwachsenen zum Umweltbewusstsein 2010 hervor. Etwa 55 Prozent der Befragten fühlen sich demzufolge von Straßenlärm belästigt, knapp 40 Prozent von Nachbarschaftslärm. Gegen Straßenlärm könne sich der Einzelne vor allem mit sogenannten passiven Lärmschutzmaßnahmen schützen, rät Ingenieur Jäcker-Cüppers - also Fenster schließen, Fenster gut isolieren und das Schlafzimmer möglichst auf die ruhige Hausseite verlegen.

Gerade in Städten, wo die Menschen aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens besonders unter dem Straßenlärm leiden, müssten auch die Verursacher etwas gegen den Lärm unternehmen. "Man kann auf leise Verkehrsmittel wie das Fahrrad umsteigen, zu Fuß gehen und öffentliche Verkehrsmittel nutzen", rät Jäcker-Cüppers. Wer nicht auf das Auto verzichten könne, leiste mit langsamem, gleichmäßigem und niedertourigem Fahren einen Beitrag zu einer leiseren Umwelt. Im Gegensatz zu Straßenlärm sei der Nachbarschaftslärm stärker verhaltensbedingt und deswegen könne der Einzelne aktiv etwas zu seiner Vermeidung tun, meint Jäcker-Cüppers, mit leisen Geräten zum Beispiel.

Bei Wasch- oder Spülmaschinen ist angegeben, wie laut sie sind. Oft gibt es auch eine Silent(Leise)-Version. "Bei der Gartenarbeit kann man zum Beispiel statt zu Laubbläsern zur Harke greifen", empfiehlt der Experte. Außerdem solle man auf Ruhe- und Nachtzeiten achten und nicht gerade dann zu Staubsauger und Bohrmaschine greifen.




Mehr lesen Sie täglich in Ihrer Mitteldeutschen Zeitung
oder werden Sie E-Paper-Abonnent.
JETZT BESTELLEN!

Artikel kommentieren


Open all references in tabs: [1 - 5]

Leave a Reply