(Sächsische Zeitung) Finanztipps vom Profi – sz

Herr Schickentanz, werden wir in einem Jahr noch mit dem Euro bezahlen?

Ja. Davon gehen wir fest aus. Die Schuldenkrise wird zwar im Jahresverlauf 2012 noch einmal an Dramatik gewinnen. Italien muss in den ersten drei Monaten viele Schulden refinanzieren und wird das vermutlich nicht über den Kapitalmarkt tun können. Das wird der finale Weckruf für die Politik sein, Maßnahmen zu beschließen, die dann auch ein Ende der Schuldenkrise einläuten oder immerhin ausreichend Zeit erkaufen, um an einer nachhaltigen Lösung der Schuldenkrise arbeiten zu können.

Die Dramatik wird zunehmen. Die Ratingagenturen haben schon gedroht, die Bonität der gesamten EU herabzustufen?

Die Diskussion ist müßig, wo der Unterschied zwischen einer AAA und einer AA-Bewertung liegt. Das sind fließende Übergänge. Die Bonitätsrisiken für Kernstaaten in der Euro-Zone haben zugenommen. In Deutschland liegt die Nettoverschuldung bei 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist ein Niveau, wo wir uns noch keine Sorgen machen müssen. Es ist aber auch nicht so komfortabel, dass wir ohne Haushaltskonsolidierung weitermachen können.

Besitzer von Staatsanleihen schlafen unruhiger. Wie sicher sind Bundesanleihen?

Wir erwarten nicht, dass Bundesanleihen auf absehbare Zeit nicht mehr zurückgezahlt werden. Also: Bundesanleihen sind sicher. Aber was heißt das für die Anleger? Für eine zweijährige Bundesanleihe erhalten sie gerade mal 0,4 oder 0,5 Prozent Zinsen. Im nächsten Jahr ist mit einer Inflation von 1,5 bis 2,5 Prozent zu rechnen. Das heißt, die Anleger haben bis zu zwei Prozent Kaufkraftverlust pro Jahr, den sie über eine Bundesanleihe nicht kompensieren können.

Werden die Zinsen steigen und wie wirkt sich das auf die Attraktivität von Bundesanleihen aus?

Der Inflationsdruck wird dieses Jahr abnehmen. Wir erwarten, dass die Teuerungsrate von derzeit drei Prozent in der Eurozone auf 2 bis 1,5 Prozent zurückfallen wird. Aber sie bleibt damit weiter über den Zinsen für Bundesanleihen. Das liegt daran, dass viele Anleger Bundesanleihen als den letzten Hort für Stabilität angesehen haben und daher auch bereit waren, sich mit Niedrigzinsen abspeisen zu lassen. Das wird auf Dauer nicht gutgehen. Spätestens wenn es in der zweiten Jahreshälfte 2012 zur Entspannung in der Schuldenkrise kommt, werden wir einen Anstieg der Zinsen mindestens auf das Niveau der Inflationsrate sehen.

Das aber erst Ende des Jahres?

Ja im zweiten Halbjahr. Viele Anleger müssen sich darüber im Klaren sein, dass steigende Zinsen nicht unbedingt eine positive Nachricht sind. Denn für jene, die schon investiert haben, bedeuten steigende Zinsen Kursverluste. Mit kurzfristigen Bundesanleihen kann man im nächsten Jahr nichts verdienen. Bei langfristigen Anleihen können sogar die Kursverluste dominieren. Deshalb ist das nicht die Anlagemöglichkeit, zu der wir unseren Kunden raten.

Sollten Anleger stattdessen Gold und Immobilien kaufen?

Das erste, was wichtig ist, ist eine vernünftige Vermögensstruktur. Die Kunden, die jetzt im Gold das Allheilmittel sehen, sind völlig auf dem Holzweg. Gold ist volatil wie alles andere auch. Gold gehört in einer vernünftigen Dosis in jedes Depot, also etwa zehn Prozent. Aktuell würden wir den Schwerpunkt aber auf Rohstoffe und Liquidität setzen.

Was heißt Liquidität?

Das bedeutet Tagesgeld und Termineinlagen über zwölf Monate. Da gibt es Angebote am Markt von zwei Prozent, die also deutlich über dem Zins einer Bundesanleihe liegen und das ohne Kursänderungsrisiko. Konservative Anleger, die ihr Geld kurzfristig verfügbar haben wollen, fahren damit gut.

Eignet sich Gold auch für Sparer mit Jahreseinkommen unter 30.000 Euro?

Dem Kleinsparer empfehlen wir, auf ein professionelles Vermögensmanagement zu setzen, wo er mit kleinen Beträgen über alle Klassen streuen kann. Dann hat er indirekt seinen Goldanteil, auch wenn er keinen Goldbarren besitzt.

Der Goldpreis steigt stetig. Beobachten Sie schon eine Blasenbildung?

Wir waren nahe dran, als der Goldpreis in Richtung 2.000 US-Dollar je Barren ging. Er wird etwas Luft ablassen, wenn wir uns an die dauerhafte Krisensituation gewöhnt haben. In den Goldpreis fließt viel Spekulation seitens institutioneller Anleger, die dafür bekannt sind, ihr Kapital gern mal abzuziehen. Das führt zur Volatilität des Goldpreises. Dauerhaft gibt es viele Gründe, dass der Goldpreis weiter steigt.

Welche sind das?

Sie finden kaum noch Produktionen, wo sie Gold kostengünstig fördern können. Also das Angebot ist stabil. Andererseits steigt die Nachfrage kontinuierlich an. In den aufstrebenden Entwicklungsländern wie China und Indien ist Goldschmuck ein Statussymbol, und mit steigendem Wohlstand steigt die Nachfrage. Notenbanken wie etwa die chinesische Zentralbank kaufen mehr Gold. Auch legen immer mehr Banken Zertifikate für Gold auf, wo Gold tatsächlich physisch hinterlegt ist.

Sie empfehlen Anlagen in Rohstoffe, in welche genau?

Bei Edelmetallen ist Gold eine Alternative, aber Silber und Platin haben kurzfristig den höheren Charme, weil sie die Steigerungen wie beim Goldpreis nicht mitgemacht haben. Aber offensiver würden wir in Industriemetalle investieren, etwa in Kupfer, das in der Bauindustrie stark nachgefragt wird.

Inwiefern können Anleger von der Energiewende profitieren?

Nicht über die klassischen Verdächtigen, also Hersteller von Solarzellen. Dort gibt es erhebliche Überkapazitäten, die sich 2012 noch einmal vergrößern werden. Anleger sollten eher in Unternehmen investieren, die die Infrastruktur liefern wie Siemens und ABB. Die zweite Möglichkeit sind die Betreiber von erneuerbaren Energieprojekten. Sie sind in der Regel nicht börsennotiert. Da besteht die Möglichkeit, sich über geschlossene Fonds an einem Projekt zu beteiligen.

Wie stark ist die Resonanz nach nachhaltigen Investments?

Ausbaufähig. Wir haben uns das Thema Anfang des vergangenen Jahres auf die Fahnen geschrieben und versucht, es vehement zu vermarkten. Fakt ist, dass es bislang weniger als zehn Prozent unserer Wertpapierumsätze ausmacht. Die wenigsten Anleger fragen explizit nach nachhaltigen Anlagemöglichkeiten, die sie unter ökologischen oder sozialen Gesichtspunkten auswählen. Für viele ist die Rendite entscheidender als die Frage, kann ich da mit gutem Gewissen anlegen.

Was sind die Gründe dafür?

In Zeiten niedriger Renditen und Zinsen, wo man mit der Vermögensanlage in der Welt kleiner Zahlen denkt, sagen sich viele, da ist mir das bisschen Rendite wichtiger, als dass ich positive Entwicklungen unterstütze. Aber das ist häufig ein Missverständnis. Nachhaltig investieren bedeutet nicht, dass ich auf Rendite verzichten muss.

Wie sieht es aus mit Anlagen in Unternehmensaktien angesichts einer drohenden Rezession in Europa?

Wir gehen davon aus, dass wir in der Euro-Zone im Winterhalbjahr in eine Rezession hinein rutschen werden, der sich auch Deutschland nicht entziehen kann. Die gute Nachricht ist, dass die Märkte das schon einpreisen. Aktien sind nicht mehr so weit von einem Rezessionsniveau eingepreist. Die nächsten Monate werden so holprig bleiben, wie die letzten waren.

Wie wird sich der Dax in diesem Jahr entwickeln?

Der Dax wird den Boden zwischen 5.000 und 5.200 Punkten einziehen, und Luft nach oben haben bis 6400 Punkte. Im Jahresverlauf wird die Entscheidung fallen, ob die Politik so handelt, dass wir Entspannung in der Schuldenkrise bekommen. Dann besteht die Chance für Aktien, in dieser Spanne nach oben auszubrechen. Handelt die Politik nicht, dann testen wir das untere Ende der Spanne. Die Märkte werden sehr nervös bleiben. Die Anleger müssen flexibel agieren, auch mal hin und her wechseln. Die klassische Strategie: „Kaufen und Halten“ reicht nicht mehr.

Das Gespräch führte Nora Miethke.

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