Rechtsstreit Amerell gegen Kempter beigelegt

Manfred Amerell (l) und Michael Kempter (M) akzeptieren den Einigungsvorschlag. Foto: Franziska Kraufmann (©dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH)

Stuttgart (dpa) - Der monatelange Rechtsstreit in der Schiedsrichter-Affäre um Manfred Amerell und Michael Kempter ist beendet. Beide Parteien akzeptierten in einer Berufungsverhandlung den Einigungsvorschlag des Oberlandesgerichts Stuttgart.

«Ich bin nicht mit jeder Formulierung in dieser Erklärung glücklich, aber es ist von der Psychologie her sicher richtig, das hier abzuschließen», sagte Amerell. «Hätte ich abgelehnt, hätte ich wieder als Racheengel dagestanden.» Auch Kempters Anwalt Christoph Schickhardt meinte: «Das Wichtigste ist: Die Sache ist erledigt. Wir stimmen diesem Vergleich im Hinblick auf eine Befriedung zu, damit Herr Kempter wieder neu durchstarten kann. Der Mann ist in einem jungen Alter, ihm gehört die Zukunft.»

Die Kernfrage, ob die intimen Kontakte zwischen den beiden einvernehmlich waren oder nicht, ist zwar immer noch nicht klar beantwortet. Aber der 28 Jahre alte Kempter zog am Ende dieses Berufungsverfahrens seine 2010 in mehreren Interviews getätigten Aussagen zurück, nach denen er dem 36 Jahre älteren Amerell klar signalisiert hätte, keine sexuellen Kontakte zu wollen. Im Gegenzug ist damit die Schadensersatzklage des ehemaligen Schiedsrichter-Sprechers vom Tisch. Amerell hatte ein Schmerzensgeld von 150 000 Euro erstreiten wollen, weil er durch Kempters öffentlichen Vorwurf der sexuellen Belästigung seine Persönlichkeitsrechte verletzt sah.

Die Verhandlung in Stuttgart ist trotzdem ein Erfolg für Amerell, denn Teil des Vergleichs ist auch, dass zwei Verfahren gegen ihn beim Landgericht Köln und beim Landgericht Stuttgart für erledigt erklärt werden. Kempter hatte damit versucht, ihm die Veröffentlichung des privaten E-Mail- oder -SMS-Verkehrs der beiden zu untersagen.

Noch entscheidender für Amerell war jedoch, dass dieser Prozess völlig anders verlief als jener vor dem Landgericht Hechingen, das seine Klage in der ersten Instanz noch klar und deutlich zurückgewiesen hatte. Damals hieß es in der Urteilsbegründung, dass Kempter Amerells «Verhaltensweisen» in seinen Interviews «zutreffend wiedergegeben» hätte. Die Richter in Stuttgart hingegen erkannten einen «deutlichen Widerspruch zwischen den Aussagen beim DFB und der Staatsanwaltschaft sowie den Aussagen in der Presse». Kempter geriet also deutlich mehr in die Defensive als Amerell.

Der frühere Schiedsrichter-Funktionär stimmte dem Vergleich dennoch erst nach dem Zureden seines Anwalts und des Richters zu. «Ich hätte gerne noch ein paar Sachen aufgeklärt», meinte Amerell. Auch dem DFB gegenüber zeigte er sich trotz des angekündigten Rücktritts seines Intimfeindes Theo Zwanziger weitgehend unversöhnlich. «Wir sind noch nicht am Ende», erklärte er. «Der Prozess gegen den DFB muss kommen und er wird kommen.»

Der Fall Amerell/Kempter war 2009 nur der Auslöser des großen Schiedsrichter-Skandals, viele weitere Affären wie die Ermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen Top-Referees oder Amerells Auseinandersetzungen mit dem DFB hängen damit zusammen.

«Vielleicht kann man mit der neuen DFB-Führung zu einem konstruktiveren Gespräch kommen», sagte der 64-Jährige. Aber grundsätzlich fühlt er sich in der gesamten Affäre weiter als Opfer. Er führe keinen «Rachefeldzug», betonte er, aber seine Lebensqualität «ist gegen Null. Kein Mensch kann erahnen, was du im seelischen und familiären Bereich aushalten musst», meinte Amerell. Es sei jetzt seine «Lebensaufgabe, die Scherben zusammenzukehren. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie jemanden bei der Polizei oder den Steuerbehörden angezeigt. Aber ich wurde in eine Situation hineinmanövriert, in der ich keine andere Möglichkeit hatte».

Dank des Richters Matthias Haag artete die Verhandlung zu keiner Zeit in eine Schlammschlacht wie noch in Hechingen aus. Haag ermahnte die Anwälte dazu, «kein Öl in ein Feuer zu gießen, das wir heute zur Erlöschung bringen wollen». Sein Fazit: Juristisch sei der Fall zwar abzuschließen. «Ihre persönliche Auseinandersetzung werden wir hier aber nicht lösen können. Hier geht es um zwei Menschen und ihre Beziehung zueinander, die durchaus Anhaltspunkte dafür bietet, dass man von einer Tragödie sprechen kann.»

© sueddeutsche.de - erschienen am 07.12.2011 um 16:32 Uhr

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