Ratgeber: So tun alle, was ich will

Ratgeber So tun alle, was ich will

Der Partner ist zu dick, die Kollegen sind zu faul, und die Kinder wollen partout nicht ins Bett? Neun Strategien, wie man seine Mitmenschen auf Trab bringt

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17.05.15, 00:31

Ratgeber

Der Partner ist zu dick, die Kollegen sind zu faul, und die Kinder wollen partout nicht ins Bett? Neun Strategien, wie man seine Mitmenschen auf Trab bringt

Von
Brenda Stohmaier

Volkserziehung mit Psychotricks: Regierungen in aller Welt machen gerade vor, wie man mit kleinen Anstößen Bürger zur Vernunft bringt. "Nudging" nennt sich das Konzept*, vom englischen Wort "to nudge" für anstupsen. In Großbritannien hat etwa eine Nudge-Einheit ausgetüftelt, dass Menschen Steuerrückstände schneller begleichen, wenn man sie darauf hinweist, die Mehrheit habe schon gezahlt. Derartige Methoden werden zwar als Paternalismus kritisiert, aber mal ehrlich: Es wäre doch leichter, wenn Mann, Kinder und Kollegen machen würden, was man will. Wir wissen ohnehin besser, was gut ist für sie.

Höchste Zeit, verschiedene Experten nach Motivations- und Manipulationstipps für den Hausgebrauch zu fragen. Keine Angst: "Viele erschrecken bei dem Wort Manipulation, aber jeder manipuliert", erklärt der Bochumer Psychologie-Professor Rainer Sachse, der just eine Abhandlung über "Manipulation und Selbsttäuschung" veröffentlicht hat. Er beruhigt: "Es ist eine Form der sozialen Intelligenz, entsprechende Techniken zu beherrschen."

1. Fragen über Fragen

Wer sich wundert, warum Mitmenschen die eigenen Tipps ignorieren, ist auf einem guten Weg. Denn Fragen sind per se ein ausgezeichnetes Führungsinstrument. "Sie bringen Menschen viel besser in Bewegung als Aussagen", erklärt Suzanne Grieger-Langer, deren Firma für Unternehmen potenzielle Führungskräfte charakterisiert. Im Herbst erscheint ihr Buch über "Die Macht der positiven Manipulation", in dem sie ein Kapitel "Führen durch Fragen" widmet. Die Erkenntnisse daraus gelten auch für Privatleute: "Sie haben ja wie Führungskräfte oft zu schnell Lösungen parat. Aber häufig geht es darum, erst mal herauszufinden, was der andere braucht und will."

Zum Beispiel, wenn der Partner in den Bergen Urlaub machen möchte und man selbst am Strand. "Dann frage ich: 'Was ist so wichtig an den Bergen?'. Wenn ich höre, dass es um frische Luft und Einsamkeit geht, dann weiß ich doch, welchen Strand wir brauchen." Heißt laut Grieger-Langer: "Man fährt nicht nach Malle, sondern ein paar Inseln weiter."

Schon simple Fragen können ein Thema effizient auf die Agenda setzen. So wurden für eine Studie 40.000 Amerikaner gefragt, ob sie beabsichtigten, in den kommenden sechs Monaten ein neues Auto zu kaufen. Allein die Frage ließ die Autokäufe prompt um 35 Prozent steigen. Wer also Mitmenschen dezent auf Konsumgedanken bringen will, muss sich nur danach erkundigen.

Sogar die Laune lässt sich mit Fragen verbessern, erklärt Michaela Brohm, die in Trier eine Professur für Lehr-Lernforschung innehat. "Fragen führen Menschen in eine bestimmte psychologische Konstellation", sagt sie – und hat sogleich Ratschläge für ein hierzulande riesiges Problemfeld parat. "Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass wir, statistisch gesehen, Weltmeister im Jammern sind. Wenn Sie jemanden davon abhalten möchten, sollten Sie nicht danach fragen, wo es wehtut, sondern nach dessen guten Momenten, oder was er gegen sein Problem tun könnte."

2. Geschenke und Komplimente

Beschenkte Mitmenschen tun viel, um nicht als geizig oder undankbar zu gelten – und fühlen sich oft verpflichtet, mehr zurückzugeben, als sie bekommen haben. Dieses Prinzip namens Reziprozitätsregel nennt der US-Forscher Robert Cialdini in seinem Grundlagenwerk "Die Psychologie des Überzeugens" eines der "durchschlagendsten Instrumente zur Beeinflussung anderer Menschen". Geschenke können Freundschaftsdienste demnach geradezu erzwingen.

3. Schmeicheleinheiten

Günstiger als Geschenke sind Komplimente. Wie effizient sie sind, zeigt ein Experiment, bei dem Männern Kommentare über sie selbst von anderen Männern vorgespielt wurden. Die Zuhörer fanden die Kommentatoren am sympathischsten, die nur Nettes über sie sagten. Und das, obwohl klar war, dass die Schmeichler einen Gefallen wünschten. Der Psychologie-Professor Rainer Sachse erklärt: "Komplimente schalten den reflexiven Teil des Gegenüber aus. Wenn Sie einen Kollegen dazu bringen wollen, etwas für Sie zu tun, dann müssen Sie ihm sagen, dass nur er das kann, dass seine Hilfe geradezu eine heroische Tat ist."

Überhaupt lohnt es sich, mit netten, möglichst ernst gemeinten Sätzen großzügig zu sein. Das zeigen Studien zum Losada-Quotienten, der das Verhältnis von positiven zu negativen Gefühlsäußerungen misst. "Die meisten Menschen liegen bei 2:1. Ideal für unser individuelles Aufblühen läge die Rate bei 3:1", schreibt Michaela Brohm in ihrem gerade erschienenen Buch "Positive Psychologie in der Schule". In funktionierenden Teams messe man einen Quotient von 5:1 oder sogar 6:1. "Erst ab einem Quotienten von 11:1 scheinen positive Bemerkungen nicht mehr ernst genommen zu werden", so Brohm.

4. Das Blöd-Spiel

Sich blöd stellen ist die wohl am häufigsten in Paarbeziehungen verwendete Beeinflussungsstrategie. Sie nützt in der Regel dabei, sich vor ungeliebten Aufgaben zu drücken. Traditionell betonen Frauen, sie könnten das mit der Technik nicht, und Männer, sie fänden Dinge wie Bügeln und Kochen zu kompliziert. Heute soll es das auch andersherum geben. Tatsächlich funktioniert die Strategie laut Rainer Sachse sogar dann, wenn der andere sie durchschaut – vorausgesetzt, man schmeichelt dabei eifrig.

5. Das Kontrastprinzip

In der Praxis hat sich in unterschiedlichen Kontexten das sogenannte Kontrastprinzip bewährt. Darunter fällt auch die Taktik, erst eine große Bitte zu stellen und sich dann mit weniger zu begnügen. Wer vom Kollegen Geld leihen will, fordert zum Beispiel erst 20 Euro und nimmt dann nur 10 Euro. "Neuverhandeln nach Zurückweisung" nennt Cialdini die Strategie, die sich für den Gläubiger geradezu nach Entgegenkommen anfühlt. Zum Kontrastprinzip hat er in der "Psychologie des Überzeugens" zudem den fantasievollen Brief einer Tochter an die Eltern abgedruckt. Darin schreibt die Studentin erst von einem Brand im Wohnheim, einem Schädelbruch, einem neuen Freund, einer Schwangerschaft und einer Krankheit – um dann mit der deutlich harmloseren Wahrheit herauszurücken, dass sie durch die Chemie-Prüfung gefallen sei.

6. Emotionale Ansteckung

Es klingt trivial, wird in der Praxis aber oft vernachlässigt: Wer andere motivieren will, muss mit gutem Beispiel vorangehen (oder laufen, falls man möchte, dass der Partner joggt). Das gilt besonders in Erziehungsfragen. "Menschen stecken sich emotional an", erklärt die Motivationsexpertin Brohm. "Wenn das Kind sich für Mathe interessieren soll, hilft es nicht, wenn die Mutter sagt, dass sie das selbst nie kapiert hat. Sie muss sich zu einer Umdeutung durchringen, etwa zu der Ansicht: Rechnen ist doch toll, da entwickelt sich das Gehirn."

7. Das limbische System austricksen

Zeit für einen Blick ins Hirn. Was wir langfristig wollen, wird im Frontallappen abgehandelt, die spontane Belohnung erfolgt aber dagegen im limbischen System, im ältesten Hirnteil. "Kaltes und heißes System nennen wir das", erklärt Didaktikprofessorin Michaela Brohm. "Wer also sich selbst oder seine Mitmenschen dazu bewegen will, disziplinierter zu leben – sei es zu sparen, abzunehmen oder zu lernen –, muss das heiße System abkühlen und das kalte anheizen." Das Wichtige gehört demnach in die Nähe, das Unerwünschte außer Sicht. "Sie räumen zum Beispiel im Kühlschrank den Mist nach hinten und die Computerspiele auf den Dachboden", rät Michaela Brohm. "Bücher müssen dagegen greifbar sein, beim Klavier steht der Deckel offen und die Noten stehen bereit, aufgeklebte farbige Fußabdrücke führen Kinder Richtung Schreibtisch."

8. Ziele vereinbaren

Im Kampf gegen Disziplinmangel hilft es, konkrete Ziele festzulegen – und sich auf Belohnungen zu einigen. Wenn das Kind partout nie ins Bett will, könnte man mit ihm eine Schlafenszeit vereinbaren. "Wenn es um halb neun im Bett liegt, lässt man es dann zum Beispiel ein Smiley in einen Kalender kleben", erklärt Michaela Brohm. "Bei Kindern ist es aber besonders wichtig, dass die das selbst machen und kein anderer." Bei diätwilligen Partnern oder solchen, die verzweifelt mit dem Rauchen aufhören wollen, können auch härtere Maßnahmen helfen. Hier empfehlen Experten, sich eine größere Summe als Pfand geben zu lassen – die man an eine wohltätige Organisation überweist, falls das Ziel verfehlt wird. Brohm kennt eine verschärfte Variante: "Das Geld geht an eine Organisation, die demjenigen zutiefst zuwider ist, etwa die NPD."

9. Die Tom-Sawyer-Taktik

Auch von "Tom Sawyer" kann man lernen. In der Strafarbeits-Episode tut Tom so, als wäre es das Aufregendste der Welt, Tante Pollys Zaun zu streichen. Das Angebot eines Freundes, ihn abzulösen, schlägt er zunächst mit Verweis auf den hohen Anspruch der Tante aus. Schließlich kaufen seine Kumpel sich sogar das Recht zu helfen – und Tom ist um so schöne Besitztümer wie eine tote Ratte reicher. Das Prinzip dahinter heißt Reaktanz. "So nennt man das, wenn Menschen das Gefühl haben, sie müssten ein Stück ihrer Freiheit abgeben und dagegen Widerstand leisten", erklärt der Psychologe Rainer Sachse. Die Moral der Geschichte ist bekannt: "Mach dich rar, und du bist ein Star."

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