Qual der Auswahl Entscheiden ist das Schlimmste

Stellen Sie sich vor, Sie sind verreist und stehen morgens am Frühstücksbüfett Ihres Hotels. Das Marmeladensortiment ist überschaubar - Sie können wählen zwischen Kirsche, Erdbeere, Quitte und Pflaume. Am nächsten Morgen finden Sie dann auf einmal eine größere Palette vor: Neben den vier Sorten vom Vortag gibt es auch noch Aprikose, Himbeere, Apfel-Zimt, Orange, Kiwi sowie Waldhonig und Schokokreme.

Gut möglich, dass Ihnen die Entscheidung nun bedeutend schwerer fällt. Und während Sie in Ihr Erdbeermarmeladenbrot beißen, fragen Sie sich, ob Sie Apfel-Zimt nicht wenigstens mal hätten probieren sollen.

Wir leben in einem wahren Schlaraffenland: Bis zu 40.000 verschiedene Produkte erwarten uns im Supermarkt. Das Musikportal iTunes bietet 13 Millionen Songs zum Download an, und Online-Partnerbörsen warten mit Millionen kennenlernwilligen Singles auf. Da lässt sich das richtige Waschmittel, der neue Ohrwurm oder das große Liebesglück doch bestimmt finden. Oder etwa nicht?

Entscheidung bei zu großer Auswahl frustrierender

Eine ähnliche Frage stellte sich im Jahr 2000 die Ökonomin und Psychologin Sheena Iyengar von der Columbia University in New York zusammen mit ihrem Kollegen Mark Lepper. In einem Versuch boten sie am Eingang eines Lebensmittelgeschäfts exotische Fruchtaufstriche zum Probieren an. Mal standen dabei nur sechs und mal stolze 24 Sorten zur Wahl. Erwartungsgemäß traten mehr Kunden an den Stand heran, wenn das Sortiment umfangreicher war - es machte optisch deutlich mehr her. Doch nur drei Prozent der Probekoster kauften tatsächlich ein Glas. Von dem kleineren Angebot nahm dagegen rund jeder dritte Interessent eine Marmelade mit nach Hause.

Die Teilnehmer zogen also offenbar eine große Auswahl vor, gleichzeitig erschwerte ihnen die Vielzahl der Optionen aber eine Entscheidung, so die Forscher. Wie ist dieses Paradox zu erklären?

Ein weiterer Versuch bestätigte den Verdacht, dass eine besonders reiche Angebotspalette überfordernd wirken kann. Sollten Probanden aus 30 Schokoladensorten eine auswählen, so bewerteten sie das Sortiment in einer anschließenden Befragung häufig als "zu groß". Die Wahl wurde als schwieriger und potenziell frustrierender empfunden als bei nur sechs Möglichkeiten.

Das führte außerdem dazu, dass die schließlich gewählte Schokolade beim nachfolgenden Rating im Schnitt schlechtere Noten erhielt als die aus einem kleineren Sortiment gewählten Sorten. Bei aller Vorliebe für eine reichliche Auswahl zahlen wir dafür - psychologisch gesehen - offenbar einen beachtlichen Preis.

Laut einem Team um den Wirtschaftspsychologen Benjamin Scheibehenne von der Universität Basel erweist sich die Studienlage zum so genannten "Too-much-choice"-Effekt jedoch als uneinheitlich. Nach Analyse von insgesamt 50 Arbeiten zum Thema kamen die Forscher zu dem Schluss, dass eine große Zahl von Entscheidungsoptionen nicht grundsätzlich aufs Gemüt schlägt.

Auch besteht hier sicherlich kein linearer Zusammenhang - Menschen sind also nicht grundsätzlich umso unzufriedener, je mehr Optionen zur Verfügung stehen. Das würde schließlich bedeuten, dass überhaupt keine Wahlmöglichkeit zu haben am glücklichsten machte. Die meisten von uns sind bestimmt froh, über ihre persönlichen Belange frei bestimmen zu können. Doch zahlreiche Forscher gingen in jüngerer Zeit der Frage nach, wie und warum diese Freiheit bisweilen zur Last werden kann.

Wo liegt das gefühlte Optimum an Auswahl?

Die Ökonomin Elena Reutskaja von der spanischen Universidad de Navarra und Robin Hogarth von der Universität Pompeu Fabra in Barcelona präsentierten 2009 den Teilnehmern eines Experiments entweder 5, 10, 15 oder 30 Schachteln, die sich nach Farbe und/oder Form unterschieden. Die Probanden sollten diejenige auswählen, die sie am ehesten als Verpackung für ein Geschenk an einen Freund verwenden würden. Ergebnis: Bei zehn Optionen waren die Versuchspersonen mit ihrer Wahl zufriedener als bei fünf. 15 Alternativen waren dagegen schon zu viel des Guten - und stolze 30 Optionen waren in Sachen Zufriedenheit ebenso unerquicklich wie fünf. Die Glückskurve beschreibt also ein umgekehrtes U.

Bei der Frage, wo genau das gefühlte Optimum liegt, wägen wir vermutlich unbewusst zwischen Kosten und Nutzen ab. Je mehr Konfitüren etwa zur Wahl stehen, desto wahrscheinlicher dürfte uns eine davon wirklich schmecken - der potenzielle Nutzen steigt also zunächst. Gleichzeitig aber kostet es auch mehr Zeit und Mühe, die vielen Unterschiede in Betracht zu ziehen.

Und was, wenn Apfel-Zimt doch leckerer gewesen wäre als die klassische Erdbeerkonfitüre? Dass uns mit wachsender Auswahl zwangsläufig auch mehr entgeht, kann die Freude an der eigenen Wahl schmälern. Forscher sprechen dabei von "Opportunitätskosten".

Ein wichtiger Faktor ist hier die Zeit: Können wir in aller Ruhe abwägen und entscheiden, so erscheint uns ein besonders großes Sortiment tendenziell weniger bedenklich. Nehmen Kosten der Entscheidungsfindung mit wachsendem Angebot jedoch schneller zu als der mögliche Nutzen, sinkt das Stimmungsbarometer wieder.

So stellten Reutskaja und Hogarth in ihrer Studie beispielsweise fest, dass die Form der Schachteln schwieriger zu vergleichen ist als ihre Farbe. Unterschieden sich die Behältnisse nur in letzterer Hinsicht, machte den Probanden eine große Auswahl folglich weniger aus, als wenn sich die Form der Boxen unterschied.

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