Psychotherapie darf keine Religion sein!

Von Psychologie aktuell Chefredakteurin Roswitha Müller-Schenkenbrink.

Auch wenn Psychotherapeuten bisweilen als Seelenklempner bezeichnet werden, was genau die Seele ist, weiß keiner. Doch viele meinen es zu wissen. So kommt es, wie es kommen muss und eine Mode wechselt die nächste ab.

Jeder meint, er habe recht und viele haben "rechter". Am Ende purzeln die Dinge böse durcheinander. Ehe man es sich versieht, vergreifen sich Psychotherapeuten an metaphysischen Fragen und Pfarrer nebst Gurus üben sich als Hobbypsychologen. So geht es natürlich nicht!

Seelisch oder psychisch?

Insofern sollte man zurückhaltend sein mit Begriffen wie seelische Erkrankung, auch wenn es leider ein nach wie vor offiziell anerkannter Terminus ist. Es kann gut sein, dass Psyche und Seele nicht identisch sind. Die Idee einer Seele jenseits von Körper und Materie ist schwer fassbar und kaum jemals beweisbar. Ganze Religionen haben es sich zum Ziel gemacht, die Seelen ihrer Gläubigen zu „retten".

Keine Vermischung von Glaube und Wissenschaft?

Manche Menschen aber sind überzeugt, dass die Seele nicht wirklich existiert. Danach wären wir alle eine Art Bioroboter. Aber macht das Sinn? Nicht wirklich. Manche Wissenschaftler sehen im Urknall und der Evolution alle Antworten. Aber was war vor dem Urknall? Vor der ersten lebenden Zelle, aus der sich dann evolutionär der Mensch entwickelt hat? Nein, so kommen wir nicht weiter. Die Evolution erklärt die Entwicklung der Arten.

Sie hat aber keine zufriedenstellende Antwort darauf, was ganz am Anfang war.

Ein uraltes Mysterium!

Einige Forscher glauben, dass die Vorstellung einer Seele auf Erfahrungen in Trance und in Träumen zurückgeht sowie auf spirituelle Reisen, in denen die Seele den Körper verlässt. Von steinzeitlichen Stämmen könnte das Konzept der Seele dann ins antike Griechenland gekommen sein. Aber ganz ehrlich, so genau weiß es keiner.

Die alten Griechen und das Qi!

Für die antiken Griechen war die Seele eine von den olympischen Göttern eingehauchte Lebensenergie. Sie glaubten an einen Seelenstoff, der die Seele mit dem Kosmos verbindet, ähnlich wie das Chi (Qi) der Asiaten.

Heraklit sprach von einem Funken der Sterne und Platon war überzeugt von der Tatsache einer unsterblichen Seele. Beweisen konnte auch er ihre Existenz natürlich nicht.

Auftritt der Naturwissenschaften!

Die Naturwissenschaften, die nach der Periode der Aufklärung stark wurden, veränderte vieles. Sie verabschiedeten sich von der Vorstellung, dass Mensch und Kosmos mystisch zusammenhängen.

Die modernen Naturwissenschaften trennten Körper und Seele, beanspruchten die Deutung der Welt für sich. Sie schoben die gute alte Seele als religiöses Konzept beiseite.

Und immer noch mehr Fragen als Antworten!

Der Philosoph Rene Descartes schrieb jedoch, dass die Seele ein denkendes Ding sei, das vom Körper losgelöst existiere.

Viele moderne Wissenschaftler lehnen die Sicht Descartes ab und verneinen die Existenz einer Seele. Sie meinen, es gäbe keinen Geist und wir Menschen wären nur biologische Maschinen.

Sie glauben, dies sei eine Antwort auf die großen Fragen der Existenz und sehen zwischen Psyche und Seele folglich keinen Unterschied.

Materialistisch gedacht?

Diese Leute gehen davon aus, dass das Universum, das Leben und der Mensch von selbst aus dem völligen Nichts entstanden sind. Doch der Volksmund sagt: Von nichts kommt nichts. Und manchmal ist der Volksmund weiser als jeder Forscher.

Keine Frage: Die moderne Naturwissenschaft ist phantastisch. Die Medizin hat große Fortschritte gemacht und Physik wie Chemie verstehen immer besser die Regeln und Muster der Natur. Aber wer hat sie festgelegt?

Schon wieder diese Metaphysik!

Wer hat die Regeln der Natur programmiert? Sicher, kein normaler Mensch bei Verstand zweifelt daran, dass geistige Vorgänge im Gehirn stattfinden. Die Beweise dafür sind felsenfest. Wer daran zweifelt, sollte einmal einen Tag mit Hirnkranken wie Alzheimer-Patienten und Schizophrenen verbringen.

Er wird schnell sehen, wie Prozesse im Gehirn Geist und Persönlichkeit verändern. Wer dies einmal gesehen oder erlebt hat, vergisst es nie mehr. Allerdings gibt es auch eine andere Wahrheit: Die Hirnforschung kann bis zum heutigen Tag nicht wirklich erklären, was das Bewusstsein und was die Seele ist.

Es bleibt ein Mysterium!

Man sollte es daher nicht nur den Wissenschaftlern und Psychotherapeuten überlassen zu definieren, was Seele, Psyche und Bewusstsein sind. Denn diese großen Begriffe sind metaphysischer und religiöser Natur.

Kein Therapeut der Welt hat das Recht, die Frage nach der Seele für den Patienten zu beantworten. Mit der Reparatur psychisch-funktionaler Gebrechen sollten sie zudem ausreichend ausgelastet sein.

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