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Psychopillen für Zappelkinder

Von Bernadette Calonego.
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In Nordamerika werden immer mehr Kinder mit starken Antipsychotika behandelt. Jetzt hat eine kanadische Kinderärztin die Nebenwirkungen erforscht – mit besorgniserregenden Resultaten.

Gefährliche Pillen: Ein neues Medikament wird in New York vorgestellt. (Symbolbild)

Gefährliche Pillen: Ein neues Medikament wird in New York vorgestellt. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Zunahme von Antipsychotika-Verschreibungen in der Schweiz

Mangelhafte Datenlage über die Situation bei Kindern
In Europa sind die Ärzte bei der Verschreibung von Antipsychotika zurückhaltender als in Nordamerika. In Deutschland hat eine kürzlich veröffentlichte Studie der Barmer Krankenkasse GEK aber ermittelt, dass die Verschreibungen an Kinder und Jugendliche in den Jahren 2005 bis 2012 um 41 Prozent zugenommen haben. Der Trend zeigt sich also in Westeuropa ebenfalls.

Auch in der Schweiz dürfen Antipsychotika «off label» an Kinder verschrieben werden. Aber der Vergleich mit Nordamerika ist nicht so einfach, obwohl hierzulande der Absatz seit 2002 um 100 Prozent zugenommen hat, wie Informationen des Schweizerischen Apothekerverbands Pharmasuisse ergeben. Nicht bekannt ist, von welchem Niveau aus gerechnet wird und wie viele der Patienten Kinder sind.

Pharmasuisse-Sprecher Karl Küenzi hat keine Kenntnis von entsprechenden Untersuchungen für die Schweiz. Auch Benno Schimmelmann, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bern, nicht. Er betont aber, dass man in der Schweiz mit schwierigen Kindern stärker psychotherapeutisch arbeite als in anderen Ländern. (bca)

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Die Kanadierin Dina Panagiotopoulos erhält viele Anrufe von besorgten Kinderärzten und -psychiatern. Was die Anrufer beunruhigt, sind die Nebenwirkungen von Antipsychotika, das sind starke Medikamente gegen Psychosen. Sie möchten beispielsweise Rat wegen abnormaler Cholesterinwerte bei Kindern, hohen Blutzuckergehalts, wegen Resistenz zu Insulin oder erhöhter Vorkommen von Prolaktin, einem Hormon aus der Hirnanhangdrüse.

Panagiotopoulos ist Kinderärztin und Endokrinologin am Kinderspital in der westkanadischen Metropole Vancouver. Sie hat eine Studie über Nebenwirkungen von Antipsychotika bei Kindern verfasst. Zu diesen Psychomitteln, die auch unter dem Namen Neuroleptika bekannt sind, gehören Medikamente wie Risperidon, Paliperidon, Quetiapin oder Tiaprid.

Die Neuroleptika, die eigentlich für schwere psychische Leiden wie Schizophrenie, bipolare Störungen oder Wahnvorstellungen entwickelt wurden, würden in Nordamerika immer häufiger Kindern und Jugendlichen bei minderen Problemen mit Aufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität (ADHS-Syndrom genannt) verschrieben. Das sagt auch David Gardner, Psychiatrieprofessor an der Dalhousie-Universität in der ostkanadischen Stadt Halifax. Vor allem in der Gruppe der 7- bis 14-Jährigen seien diese Verschreibungen häufig. Laut Dina Panagiotopoulos werden Antipsychotika aber schon 2- bis 3-jährigen Kleinkindern gegen schwere Aggressionen verabreicht.

Eltern sind schlecht informiert

Noch vor wenigen Jahren, sagt Panagiotopoulos, wurden Kinder, denen Antipsychotika verschrieben wurden, nicht systematisch auf Nebenwirkungen untersucht. Und den Eltern wurde viel zu wenig erklärt, welche Nebenwirkungen auftreten können. In den Gesprächen mit Hilfe suchenden Ärzten und Psychiatern, so Panagiotopoulos, komme sehr oft eine beträchtliche Gewichtszunahme bei den Kindern zur Sprache.

Ein Psychiater war schockiert, als er ein Kind wieder sah, das bei ihm in Be-handlung gewesen war und nach einem Jahr erneut in seiner Praxis auftauchte. Er erkannte den Patienten vor ihm fast nicht wieder: Das Kind hatte in dieser Zeit Antipsychotika geschluckt und dabei 23 Kilogramm zugenommen. «Die Eltern verstehen nicht, warum ihr Kind statt Wasser plötzlich jede Woche sieben Liter Coke trinkt», sagt Panagiotopoulos. Bei einem anderen Kind traten unkontrollierbare Zuckungen und Muskelkrämpfe auf. Auch zwanghafte Bewegungen des Kiefers und der Zunge oder das plötzliche Zusammenziehen des Gesichtes kommen häufig vor – es sind oft bleibende Schäden. In einem Fall entwickelte ein kleiner Patient ein potenziell tödliches Leiden, das in einem Diabeteskoma enden kann.

18 Todesfälle sind bekannt

«Die zweite Generation der Antipsychotika wurde als relativ sicher vermarktet», sagt Panagiotopoulos, «deshalb war die Auffassung weitverbreitet, dass sie sicherer seien als die erste Generation.» Das war und ist verhängnisvoll. Selbst tödliche Nebenwirkungen von Neuroleptika können nicht ausgeschlossen werden. In Kanada wurden seit Anfang 1965 bis Ende Februar dieses Jahres 18 Berichte bei den Gesundheitsbehörden eingereicht, in denen Antipsychotika mit tödlichen Folgen bei Kindern verbunden wurden. Diese Zahl kann aber durchaus höher sein, da der Arzt die Verbindung zwischen Medikament und Tod erst einmal herstellen muss.

In den USA gibt es solche zusammenfassenden Daten für die Gruppe der Psychopharmaka nicht. Man müsste bei den US-Gesundheitsbehörden FDA einen Antrag auf die Einsicht in Dokumente stellen und sie dann für jedes einzelne Psychomittel durchforsten. Eine FDA-Sprecherin konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob es je Berichte über Todesfolgen gegeben habe. Dina Panagiotopoulos kann sich aber nicht vorstellen, dass in den USA keine Todesfälle gemeldet wurden.

Fast alle Antipsychotika «off label»

Die schlimmen Nebenwirkungen machen die Verschreibung von Antipsychotika bei minderen Verhaltensproblemen noch fragwürdiger, sagt David Gardner: «Wir setzen unsere jungen Menschen unnötigen Risiken aus.» Er erwähnt eine seltene, aber lebensbedrohliche Nebenwirkung: das maligne Neuroleptika-Syndrom (MNS), das in rund zehn Prozent der Fälle tödlich verläuft. Gardner sagt, dass selbst ein einziger Todesfall wegen MNS unannehmbar sei, wenn Antipsychotika nur dazu eingesetzt würden, ein wildes Kind zu beruhigen.

In Nordamerika werden bei Kindern fast alle Antipsychotika «off label» eingesetzt, das heisst, sie wurden nie offiziell für die Verabreichung an Kinder genehmigt. Trotzdem dürfen sie verschrieben werden. Damit haben sich die Pharmakonzerne einen viel grösseren Markt erschlossen als nur für Erwachsene und nur für schwerwiegende Geisteskrankheiten.

Keine Langzeitstudien

Die kurzfristigen Nebenwirkungen von Antipsychotika bei Kindern kennt man heute ziemlich gut – auch dank der Forschungen von Panagiotopoulos –, aber es ist praktisch unerforscht, wie sie sich auf die Entwicklung des Gehirns und die Gesundheit im Erwachsenenalter auswirken. «Wir haben keine Daten über Langzeiteffekte, und es würde mehrere Jahrzehnte dauern, sie zu sammeln», sagt Allen Frances, emeritierter Professor an der Duke-Universität im US-Staat North Carolina. Wenn Kinder wegen Antipsychotika fettleibig werden, dann sei das aber ein Risikofaktor für Diabetes und spätere Herzkrankheiten. Auch Hirnschläge werden zu den Risikofaktoren gezählt. «Wir führen ein unkontrolliertes Experiment mit der Gesundheit unserer Kinder durch», sagt Frances, Autor des Buches «Normal. Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen».

Mark Olfson, Psychiatrieprofessor an der US-Universität Columbia, sieht viele Hindernisse für Langzeitstudien. Die Leiden, gegen die Antipsychotika eingesetzt werden, «beeinträchtigen oft die Gesundheit, etwa durch schlechte Ernährung, Rauchen, Drogen, körperliche Untätigkeit und schlechten Zugang zu medizinischer Behandlung.» Es sei sehr schwierig, diese Faktoren von den negativen langfristigen Nebenwirkungen von Antipsychotika zu trennen. Das Fehlen von Langzeitstudien bedeute aber, dass wir nie genau wissen werden, was solche Medikamente später in Erwachsenen bewirken. (Tages-Anzeiger)

Erstellt: 17.08.2013, 09:07 Uhr


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