Psychologie: WG-Regeln: Nie wieder Stress?

Eine günstige Wohnung in München finden – das ist eine wahre Herausforderung. Und ebenso, sie mit den Mitbewohnern zu teilen

KÖLN „Endlich keine Regeln mehr!” Das dürfte sich so mancher Erstsemester denken, wenn er aus dem Elternhaus in eine Wohngemeinschaft zieht. Ein großer Irrtum, wie der Psychologe Ludger Büter vom Kölner Studentenwerk sagt: „Ich kann nur davor warnen, zu glauben, dass man plötzlich alles vergessen kann, was in einer Familie nützlich war für einen vernünftigen Umgang.” Büter ist beim Studentenwerk verantwortlich für die Mediation bei WG-Streitigkeiten.

Zum WG-Stress gehört, ganz klar: der Verteilungskampf ums Essen. Zettel mit der Aufschrift „Sorry, hatte Hunger” kleben gerne mal am fast leeren Joghurtbecher des Mitbewohners. Immerhin: Eine solche Nachricht zu hinterlassen (und schnell einen neuen Joghurt zu kaufen!) ist im harten WG-Alltag ja noch recht höflich. WG-Streitschlichter Büter sagt, was sich gehört und wie sich das WG-Klima verbessern lässt:

Lärm: Musik hören, Fernsehen, Telefonieren – all das macht, wenn man es übertreibt, Lärm. Nicht die feine Art ist es laut Streitschlichter Büter, die Musik voll aufzudrehen und den anderen zu sagen: „Wenn es euch zu laut wird, klopft einfach.” Auch wenn das nett wirkt: „Das ist nicht so liberal, wie es klingt, weil man auf diese Weise den anderen das Problem aufbürdet, sich immer wieder neu zur Beschwerde aufraffen zu müssen”, so Büter. Schließlich ist niemand gern der Nörgler.

Besuch: Gastfreundschaft wird in der WG oft groß geschrieben. Beim Rudelwohnen müsse aber festgelegt werden: „Wer darf kommen, und wie lange darf er bleiben?” Das gelte insbesondere für feste Partner, sagte Büte. „Manche führen im Partner auch einen zusätzlichen Mitbewohner ein.” Da wird aus einer Vierer- ganz schnell eine Achter-WG. „Das gibt natürlich Streit, denn so viel Platz hat man nicht im Kühlschrank, so viel Zeit will man nicht haben, auf die Dusche zu warten.”

Mein und dein: Ob Milch, Toilettenpapier, Alufolie oder Waschpulver – alles ist immer genau dann leer, wenn man es dringend braucht.

Damit daran nicht immer die anderen schuld sind, kümmere sich besonders um Lebensmittel am besten jeder selbst, rät Büter. Nur wenn sich die Mitbewohner gut verstehen, dürfe es auch ab und zu mal heißen: „Da waren drei so leckere Joghurts im Kühlschrank, ich konnte mich nicht beherrschen. Es tut mir leid, du kriegst morgen einen neuen.” Der Regelfall sollte das nicht sein.

Höflichkeit: Zu den typischen Unhöflichkeiten des Alltags zählen in einer WG oft Kleinigkeiten, die aber tierisch aufregen können. Beim Duschen alles zu überfluten, lange Haare im Waschbecken liegen zu lassen oder die Haarbürste der Mitbewohnerin zu benutzen, sind Ärgernisse, die wohl die meisten WG-Bewohner kennen. Zu den größten Provokationen zählt nach Ansicht des Psychologen: „Von einer Toilette Gebrauch machen und vielleicht gerade noch dazu kommen, sie zu spülen, aber ansonsten nicht zu säubern.” All das sei nicht Aufgabe des WG-Putzdienstes. „Jeder sollte Bad und Küche so verlassen, wie er sie selbst vorzufinden wünscht.”

Sahnehäubchen: Nur weil sich alle an die Regeln halten, muss nicht unbedingt auch die Stimmung gut sein. Ein wirklich gutes WG-Klima machen vor allem die Sahnehäubchen aus. „Nette Dreingaben” nennt Büter das. „Dazu gehört, dass man ab und zu auch mal etwas tut, wozu man nach dem Regelwerk nicht verpflichtet wäre.” Müll mitnehmen, obwohl man nicht dran ist, Töpfe spülen, die eigentlich ein anderer benutzt hat. „Für die Gruppendynamik in der WG kann das sehr nützlich sein.”

Dazu gehöre auch der gelegentliche Verzicht auf Rechte. Also am besten nicht wütend auf der Nachtruhe bestehen, wenn der Zimmernachbar seinen Geburtstag feiert.

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