Psychologie von Pegida – Sehnsucht nach dem Feind

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In Sachsen gibt es kaum Muslime. Doch gerade das ist die Bedingung dafür, dass der Islam dort als Feindbild aufgebaut werden kann. Die Pegida-Bewegung marschiert aus Angst vor dem Imaginären.

Im Song von Helene Fischer "Fehlerfrei" heißt es: "Verplant und verpeilt, danebengestylt, so komme ich mir manchmal vor. Unverhofft und gehemmt, das Zeitgefühl klemmt, mit mir selbst nicht ganz d'accord. Ich will mich beweisen und droh' zu entgleisen, mit Vollgas gegen die Wand. Katastrophal."

Dieser Song bringt genau die Seelenlage vieler Deutscher zur Sprache. Viele sind heute von diffusen Ängsten geplagt, Angst zu versagen, Angst zu scheitern, Angst, abgehängt zu werden, Angst, einen Fehler zu machen oder eine falsche Entscheidung getroffen zu haben. Wir leben längst in einer Gesellschaft der Angst.

Aus Angst heraus konstruieren Menschen einen imaginären Feind

Viele haben Angst, den eigenen Ansprüchen nicht genügen zu können. Sie befinden sich in einem Dauerzwist mit sich selbst. Sie beschuldigen aber nur sich selbst für ihr Versagen. Sie schämen sich für die eigene Unzulänglichkeit. Diese Angst ist keine Angst vor dem bedrohlichen Anderen, vor dem Feind oder vor dem Fremden, sondern Angst um sich.

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In einem Gastbeitrag "Warum heute keine Revolution möglich ist", der im September an dieser Stelle veröffentlicht wurde, habe ich darauf hingewiesen, dass heute der Klassenkampf sich in einen inneren Kampf mit sich selbst verwandelt. Wer scheitert, beschuldigt sich selbst und schämt sich. Man problematisiert sich und nicht die Gesellschaft, obwohl das eigentliche Problem von der Politik verursacht worden ist.

Aus Menschen, die sich selbst beschuldigen und sich schämen für ihr Versagen, lässt sich keine Protestmasse formen, die die Gesellschaft, das System infrage stellen würde. Der Andere als Feind entlastet auch das neoliberale Leistungssubjekt, das den Feind bei sich selbst ausmacht und mit sich selbst Krieg führt.

Das heutige Leistungssubjekt arbeitet sich nicht an externen Feinden, sondern an sich selbst ab. Gerade die Konstruktion des Anderen als Feind externalisiert den inneren Konflikt und entlastet dadurch die Psyche. So erwacht vielerorts eine Sehnsucht nach dem Feind.


Pegida Supporters March In DresdenVideo

Pegida
Hort für alles Rückwärtsgewandte

Die Pegida-Demonstranten fordern nicht mehr, sondern weniger Rechte für Minderheiten. Die Politik muss mit solchen Menschen keinen Dialog führen. Aber sie darf die Fehler aus den neunziger Jahren auch nicht wiederholen.


(Video: Süddeutsche.de, Foto: Getty Images)

Aus der lähmenden Angst, abgehängt zu werden oder nicht mehr dazuzugehören, befreien sich Menschen, indem sie einen imaginären Feind konstruieren. Pegida - "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" - eröffnet einen solchen imaginären Raum, in dem die Angst, die jeder für sich oder um sich hat, externalisiert wird und mit einem anderen Objekt, hier mit dem Islam, besetzt wird.

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