Psychologie und Mythos

Meiningen - Das Interesse der Meininger Wagner-Freunde ist allgemein groß, besonders an "Tristan und Isolde". Das zeigte auch die Matinee vor der Premiere. Ein Grund ist wohl, dass die Meininger "Tristan und Isolde"-geschädigt sind. Haben sie doch noch die 2003er Inszenierung von Regisseur Alexander von Pfeil und Ausstatter Christian Wiehle mit zwei Crash-Sportwagen auf der Bühne und original Autocrashtest-Film in Erinnerung. Ein neuzeitlicher Künstlerheld, der seinen Tod perfekt und wehleidig in Szene setzt, sollte dieser Tristan sein.

Solch aufgesetzt reale Geschichte hat der Regisseur der neuen "Tristan und Isolde"-Inszenierung nicht im Sinn. "Dieses Meisterwerk der Weltkultur enthält einen unglaublichen Reichtum an Psychologie und Mythos.", erläuterte Gerd Heinz zur Matinee. Die Frage, ob er klassisch oder modern inszeniere, sei für ihn nicht entscheidend - "wichtig ist der gute Klang". Der Mythos dürfe aber nicht im Tagesaktuellen verortet werden, weil das verkleinere, Größe erhalte er im Symbolischen, so Gerd Heinz.

Seine Sicht auf Wagneropern präsentierte er bereits 2009 mit dem "Parsifal" in Meiningen. "Die Oper als Kunst der Geste, der Gebärde zwischen Sprache und Musik", will der Regisseur zeigen. Fasziniert ist er von Wagners psychologischen Erkenntnissen: "Schon 50 Jahre vor Freud hat er Neurosen zum Thema gemacht." Kunst, so die Theorie von Gerd Heinz, ist eine Art Frühwarnsystem, erst danach kommt die Wissenschaft. Darum ist dem Regisseur die Textverständlichkeit wichtig. Zum deutsch gesungenen Text werden in der Aufführung Untertitel zum Mitlesen eingeblendet.

Generalmusikdirektor Philippe Bach, der in Meiningen bereits "Rienzi" und "Liebesverbot" musikalisch einstudierte, schwärmte geradezu von "Tristan und Isolde": "Vier Stunden Musik, in denen Unglaubliches drin steckt." Er erinnerte aber auch daran, dass die Oper vor der Uraufführung nach 77 Proben als unaufführbar galt. "Vor 100 Jahren dachten die Musiker, dass diese Musik verrückt ist, aber Wagner war nicht der Erste", betonte der Dirigent. Und spielte als Beweis auf dem Flügel ein paar Takte von Schumann und Beethoven an, von denen Wagner partizipierte.

Ursula Füri Bernhard, die als Isolde debütiert, zollte der Oper gegenüber Respekt - "man braucht Jahre, um das Werk zu erfassen". Mit Gerd Heinz stehe ihr aber ein "fantastischer, lebenserfahrener und krisenerprobter Regisseur" zur Seite, bekannte die Sängerin. Die Hauptpartien sind alle doppelt besetzt. Das macht die Arbeit des Regisseurs schwierig, auch weil er mit erfahrenen und debütierenden Sängern probt. Doch "kurz vor der Zielgeraden", so Gerd Heinz, "habe ich die Hoffnung beides gut zusammenzuführen."

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