Psychologie und Finanzen: Märchenhaftes Gold

Man schrieb das Jahr 550 vor Christi Geburt. König Krösus regierte in Kleinasien, im Lande Lydien.  Mit seinem Zugang zu den goldreichen Bergwerken Atarneus und Pergamon und dem Fluss Paktolos an der heutigen Ägäis galt er als wohlbetuchter Herrscher. Legendenhaft wurde sein Reichtum aber vor allem durch eines: Er war es, der die ersten Goldmünzen der Welt prägen ließ. Neben landwirtschaftlichen und tierischen Produkten war Gold das einzige Metall, das als Abgabe akzeptiert wurde. 2600 Jahre voller Kriege, Revolutionen, Währungswechsel, Deflationen und Hyperinflationen: Seit dieser Zeit überdauerte das Gold die Geschichte der Menschheit, ohne seinen Wert zu verlieren.

Die Menschheit aber wurde „über die Zeit hinweg klassisch konditioniert“, erklärt Psychotherapeut Robert Ivancic. Während der Antike verbaute man Gold vor allem in Tempeln. In Kerzenständern, Kelchen, Kronen. Gold entwickelte sich so durch die Kopplung an heilige Stätten und religiöse Verehrung vom neutralen Stimulus zum konditionierten Stimulus. So ergaben sich über die Jahrtausende Attribute wie „heilig“ und „wertvoll“, die dem Gold bis heute anhaften.

Über die Sprache verfestigte sich diese Verbindung. Dinge wurden als „goldrichtig“ empfunden, man blickte in eine „goldene Zukunft“, guter Rat war „Gold wert“. Symbolanalytiker erklärten das Gold zum Hoffnungsträger und Heilsbringer auch im Märchen: Das Nicht-Rostende, Ewig-Glänzende, mit der Sonne Gleichzusetzende, Nicht-Verwesende findet sich in Märchen wie Goldmarie und Pechmarie, dem Rumpelstilzchen, wo Stroh zu Gold gesponnen wurde, der goldenen Gans und dem König vom goldenen Berge wieder und werden von Generation zu Generation weiter gegeben.

In der Krise flüchten Börsenanleger in Goldgeschäfte. Der Edelmetallhändler Pro Aurum veröffentlichte vor kurzem eine Forsa-Umfrage, aus der hervorgeht, dass Gold noch immer als sicherste Anlageform gilt – im Vergleich zu Aktien, Fonds, Anleihen und Festgeldkonten. Gold sei eben „leicht vorstellbar“, erklärt Joachim Goldberg, Experte für Finanzmarktpsychologie den Mythos. Nach den Regeln der sogenannten Verfügbarkeitsheuristik würden Menschen „leicht verfügbare, farbige Nachrichten, Historie, Mythen – all diese Informationen“ bevorzugen. Mit dem Gold gehe eine starke Vereinfachung einher. Schöne und einfache Bilder vermitteln in Zeiten komplexer Krisen wie der heutigen Sicherheit. Wem die Szenarien der Weltwirtschaft Angst einflößen, der hält sich an märchenhaften Geschichten und Welterklärungen fest.

Seite 2: Gauweilers nibelungenhafter Besuch in den Kellern der Deutschen Bank

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