Psychologie statt Parodie

Wie ein Profiler sitzt Michael Kessler vor einer Wand mit Fotos und Zeitungsausschnitten. Bis ins kleinste Detail analysiert er auf Videos und am lebenden Objekt Sprache und Gesten einer Person, bis er am Ende vollständig mit ihr verschmilzt. "Ich will ein Interview führen, das es so noch nie gegeben hat", sagt er aus dem Off. Am Donnerstag startet im ZDF (23.15 Uhr) die zweite Staffel der Personality-Doku "Kessler ist ...". Der 48-jährige Schauspieler und Comedian entdeckt Prominente wie Stefan Effenberg oder Horst Lichter ganz privat – und sitzt ihnen im finalen Interview als sie selbst verkleidet gegenüber. Im Gespräch über die Schwierigkeit, Freiwillige für dieses Experiment zu finden und seinen Wunschkandidaten.


Berliner Morgenpost: Mit "Kessler ist ..." sind Sie nun in der zweiten Staffel eines neuen Formates, der "Personality Doku".

Michael Kessler: Ja, wir nennen das so, weil das Baby ja einen Namen braucht. Dabei kann man diese tolle Idee gar nicht so genau benennen oder definieren. Es ist eine Art Dokumentation, aber gemischt mit dem schauspielerischen Element der Verwandlung.

Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie die Prominenten ausgewählt?

Es ist schwierig, Prominente zu finden, die sich auf das Format einlassen. Obwohl wir in der zweiten Staffel sind und viele Prominente das Format inzwischen bereits gesehen haben. Viele geben uns die Rückmeldung, dass sie die Sendung ganz toll finden, aber selbst nicht mitmachen wollen. Das kann ich nicht ganz verstehen, denn es geht nicht darum, den Prominenten vorzuführen. Er wird auch nicht auf die falsche Fährte gelockt, die Sendung ist vielmehr eine tolle Plattform, sich einmal anders zu zeigen.

Haben Sie auch Politiker gefragt?

Ich hätte mich wahnsinnig gerne in einen Politiker verwandelt, leider hat das noch nicht geklappt. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, weil das eine ganz andere Welt ist, in die ich gerne einmal eintauchen würde – und die für den Zuschauer sicher spannend wäre.

Vielleicht ein zurückgetretener Politiker?

Vielleicht – weil der dann viel Zeit hat. (lacht) Es ist ein Problem bei den Politikern, die noch amtieren, dass sie zeitlich so eingespannt sind. Wir drehen ja mehrere Tage mit den Prominenten.

Für Ihre Sendung müssen Sie genau beobachten. Wie gelingt Ihnen das?

Bei einer Parodie muss ich vor allem ein Auge haben für die Schwäche des Prominenten, die ich ja dann verstärke. Bei "Kessler ist ..." spiele ich den Prominenten aber realistisch nach und es kommt noch eine psychologische Komponente hinzu. Ich muss als er agieren und antworten. Ich wurde schon gefragt, ob ich speziell geschult wurde. Ich bin aber eben einfach nur neugierig, kann gut beobachten und zuhören. Das sind eigentlich ganz simple Grundzutaten. Wenn man sich Fernsehen und Journalismus heute so anschaut, geht's fast nur noch um Sensationen. In meinen Sendungen ist das anders. Es geht um das ganz normale Leben.

Wie sieht es aus mit Michael Kessler abseits des Rampenlichts?

Ich bin religiös aufgewachsen, getauft, konfirmiert. Ich war im Alter von elf bis 14 Jahren im Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) und habe dort ein großes soziales Verständnis bekommen. Für mich war zum Beispiel ganz klar, dass ich Kriegsdienstverweigerer werde. Und der Zivildienst hat mich sehr geprägt, da habe ich mich um alte Menschen gekümmert. Als Kind war ich immer der Kleinste in der Klasse, ein Spätzünder. Das war nicht immer leicht, das Beten hat mir geholfen mit Problemen klar zu kommen.

Wie wäre es dann mit Papst Franziskus?

Fände ich total spannend. Weil er mich wirklich als Person interessiert, und nicht nur in seinem Amt als Papst. Ich glaube nämlich nicht, dass das eine rein katholische Geschichte ist, was er da macht. Diese Bescheidenheit ist etwas, womit jeder etwas anfangen kann, egal welcher Konfession. Es tut jedem gut, sich darauf zu besinnen, dass es im Leben nicht nur um Geld und Karriere geht. Ich denke, dass der Papst gut zuhört, dass er gerne kommuniziert und dass er auf die Leute zugeht.

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