Psychologie – Spätfolgen des Traumas

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Wer als Kind verwaist, hat noch Jahrzehnte später ein erhöhtes Suizid-Risiko. Besonders groß ist die Gefahr, wenn die Kinder jünger als sechs Jahre sind. Dabei reagieren Jungen anders als Mädchen auf den Verlust eines Elternteils.

Werner Bartens wurde 1966 in Göttingen geboren. Studium der Medizin, Geschichte und Germanistik in Gießen, Freiburg, Montpellier (F) und Washington D.C. (USA). Nach dem US-Staatsexamen Medizin (1992) Forschungsjahr an den Nationalen Gesundheitsinstituten (NIH) in Bethesda (USA). 1993 Staatsexamen Medizin in Freiburg und Promotion zum Dr. med. mit einer Doktorarbeit über genetische Grundlagen des Herzinfarktes. 1995 Magisterexamen in Deutsch und Geschichte mit einer Abschlussarbeit über Rassentheorien im 19. und 20. Jahrhundert. Bartens arbeitete zwei Jahre als Arzt in der Inneren Medizin an den Unikliniken Freiburg und Würzburg, anschließend Postdoktorand in der Arbeitsgruppe des Nobelpreisträgers Georges Köhler am Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg. Seit 1997 Buchautor, Übersetzer, Ko-Autor einer WDR-Seifenoper und tätig für SZ, Zeit, FAZ und taz. Von 2000 bis 2005 Redakteur im Reportage-Ressort der Badischen Zeitung und zuständig für Medizin; daneben Mitarbeit bei SZ, Zeit und taz. Seit 2005 ist Bartens Redakteur im Ressort Wissen der SZ, seit 2008 Leitender Redakteur. Er hat mehr als 20 populäre Sachbücher veröffentlicht, darunter etliche Bestseller wie "Das Lexikon der Medizin-Irrtümer", "Körperglück", "Heillose Zustände", "Was Paare zusammenhält" und "Wie Berührung hilft". Bartens ist zu Fragen der Medizin und Gesundheitspolitik oft im Fernsehen zu Gast. Er wurde vielfach mit Journalistenpreisen geehrt und 2009 als "Wissenschaftsjournalist des Jahres" ausgezeichnet. Weitere Infos: www.werner-bartens.de

Der Tod eines Elternteils gehört zu den erschütternden Erfahrungen im Leben. Je früher er eintritt, desto gravierender sind die seelischen Folgen. Wissenschaftler aus Skandinavien zeigen im Fachmagazin Jama Psychiatry (online) vom heutigen Donnerstag, dass die Traumatisierung noch Jahrzehnte nachwirken kann. Demnach ist das Suizid-Risiko bei Menschen, die einen Elternteil verloren haben, als sie Kinder oder Jugendliche waren, noch Jahrzehnte später erhöht.

Das Forscherteam um Mai-Britt Guldin von der Universität Aarhus hat die nationalen Gesundheitsregister von mehr als 7,3 Millionen Menschen in Dänemark, Schweden und Finnland ausgewertet. Fast 190 000 Menschen in den skandinavischen Ländern erlebten den Tod ihrer Eltern vor dem 18. Lebensjahr. Im Vergleich zu Gleichaltrigen, deren Eltern erst später starben, traten in der Gruppe der Halbwaisen und Waisen doppelt so viele Suizide auf. Besonders groß war das Risiko, wenn die Kinder ihre Eltern vor dem sechsten Lebensjahr verloren sowie unter den Erstgeborenen. Ihre kleineren Geschwister sind zwar jünger beim Tod des Elternteils, doch die älteren sind womöglich häufiger psychisch überfordert, wenn sie die Elternrolle übernehmen.

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Die Wahrscheinlichkeit sich umzubringen, war im gesamten Untersuchungszeitraum von 40 Jahren erhöht. "Ärzte, Therapeuten und andere Betreuer sollten sich darum bemühen, Kindern den Verlust und die damit verbundenen Belastungen erträglicher zu machen", sagt Guldin. "Auf diese Weise lassen sich womöglich einige Suizide verhindern." Der Anteil der Menschen, die sich umbringen, ist zwar mit 0,14 Prozent bei frühem Tod der Eltern gegenüber 0,07 Prozent in der Vergleichsgruppe relativ gering. Da aber in den westlichen Ländern zwischen drei und vier Prozent der Kinder und Jugendlichen einen Elternteil verlieren, sind viele Menschen von diesem Ereignis betroffen, das besonders einschneidend und schädlich für Körper wie Seele ist.

Der Auswertung in Skandinavien zufolge sind Jungen psychisch labiler als Mädchen. Während vier von 1000 Jungen sich umbrachten, nachdem Vater oder Mutter in der Kindheit gestorben waren, begingen bei den Mädchen zwei von 1000 Selbstmord. Das Risiko für einen Suizid erhöhte sich um das Dreifache, wenn ein Elternteil sich selbst getötet hat - besonders gefährdet sind demnach Jungen, deren Mutter sich das Leben genommen hat.

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