Wer bestimmt, wie der Nachwuchs wohnt? Fragen an die Architekturpsychologin Annette Peters
DIE ZEIT:
Frau Peters, Sie haben eine zwölfjährige Tochter. Wie sieht deren Zimmer aus?
Annette Peters:
Sie hat zwei kleine Zimmer, ein Schlafzimmer und ein Lern-Spiel-Zimmer. Allerdings wünscht
sie sich einen großen Raum mit Platz für eine Couch, die sie mit ihren Freundinnen besetzen
kann. Noch wehre ich mich dagegen, weil sie natürlich nur mehr Platz zum Spielen haben will
und nicht zum Lernen.
ZEIT:
Wehren Sie sich in solchen Fällen als Mutter oder als Expertin?
Peters:
Als Mutter habe ich natürlich keine Lust, halbjährlich die Wände neu zu streichen oder das
Mobiliar auszutauschen. Bei Einrichtungsfragen entscheide ich als Expertin, auch in den
Zimmern meiner Tochter: Elemente, die Bestand haben sollen, etwa Betten und Schränke, wähle
ich neutral und einheitlich. Durch Farben teile ich Räume in Zonen ein. Im Schlafbereich
vermeide ich Farben wie rot und orange oder unruhige Muster, die aktivitätsfördernd wirken.
Ein heller Grundton an der Wand ist gut. Aber kein reines Weiß!
ZEIT:
Die klassische Wandfarbe – was ist so schlecht daran?
Peters:
Es wird so schnell schmutzig. Und Weiß macht die Räume zwar heller, aber auch kühl. Ich
würde stattdessen immer ein abgetöntes Weiß wählen. Beige eignet sich gut für Ruhebereiche,
es sorgt für Kuschelambiente. Meine Tochter hat diese Farbe im Schlafzimmer.
ZEIT:
Das hört sich an, als träfen Sie zu Hause die wichtigen Entscheidungen. Gibt es auch etwas,
was Ihre Tochter durchgesetzt hat?
Peters:
Die Deko. Überall in ihren Zimmern hängen Poster und Autogrammkarten. Das ist typisch für
das Alter. Leider habe ich versäumt, Ausstellungsflächen zu schaffen. Es gibt Bilderschienen
und Wandfarbe, auf der Magnete haften. Und in diesem Bereich von etwa zwei Quadratmetern
kann sich das Kind dann austoben. Es kann täglich die Motive wechseln, und trotzdem ist die
Wand am Ende nicht voller Löcher.
ZEIT:
Sollen auch jüngere Kinder schon bei der Zimmergestaltung mitbestimmen dürfen?
Peters:
Ja, ihr Zimmer ist ihr Territorium, sie sollen eine gewisse Verantwortung dafür übernehmen.
Aber alle Entscheidungen überlässt man ihnen besser nicht. In Kindermöbelkatalogen findet
man häufig die Einrichtungssysteme "Prinzessin" oder "Pirat". Das wollen kleine Kinder dann
natürlich haben. Aber Eltern dürfen sich solchen Moden nicht unterwerfen. Spätestens nach
einem halben Jahr ist die Faszination vorbei. Und dann steht man da mit den teuren
Sachen.
ZEIT:
Wie viel Mitbestimmung ist denn richtig?
Peters:
Dafür gibt es keine Faustregel, aber wenn das Kind zu wenig Gestaltungsfreiraum hat, merkt
man das ganz leicht. Wenn zum Beispiel plötzlich Sticker an Stellen kleben, wo man sie nicht
haben will.
ZEIT:
Also nicht jeden Tag aufräumen?
Peters:
Machen wir Erwachsenen das denn? Aber ein gewisse Grundordnung ist natürlich gut.
Signalisieren Sie Ihrem Kind: Du kannst alles ausräumen, alles nutzen, nur am Ende des
Spiels wird wieder Ordnung geschaffen. Das kann man schon erwarten.
ZEIT:
Nicht alle Kinder haben so viel Glück wie Ihre Tochter und gleich zwei Zimmer. Manche
müssen sich ihres mit Geschwistern teilen. Wie regelt man das?
Peters:
Rückzugsmöglichkeiten sind in jedem Alter wichtig, und idealerweise sind es Bereiche, in
die der Bruder oder die Schwester nicht hineindürfen. Wenn sie ein Zimmer teilen, könnte man
das mit einem Trennvorhang oder einem Paravent regeln. Zumindest aber brauchen Kinder eine
ruhige Ecke zum Lümmeln und Runterkommen: einen Sessel oder eine Nische mit Kissen, Decken
oder gedimmter Beleuchtung. Die Eltern sollten hierbei unbedingt auf eine ruhige Gestaltung
achten. Manche Kinderzimmer sind grauenvoll überfrachtet mit visuellen Reizen.