Psychologie – "Pass bloß auf, du Verlierer!"


Von
Sebastian Herrmann

Als wäre es nicht genug, dass sie gewonnen haben: Sieger verhalten sich eher aggressiv als Verlierer - und dann treten sie auch noch nach.

Der Sänger Beck schrieb 1994 die Hymne einer Generation von Schluffis. Das Luschen-Lied heißt "Loser" und im Refrain singt der Amerikaner, dass er ein Verlierer sei und man ihn töten könne: "I'm a loser baby, so why don't you kill me?" Psychologen um Dominique Muller von der Universität Grenoble schreiben nun im Fachblatt Social Psychological and Personality Science (online), dass Beck mit seinem Song ein intuitiver Einblick in die wahre Natur des Menschen gelungen sei.

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Denn tatsächlich müssen sich Loser fürchten: Sieger verhalten sich eher aggressiv als Verlierer. In mehreren Versuchen konnten die Psychologen zeigen, dass Menschen, die siegreich aus einem Wettstreit gehen, gerne nachtreten. Anders als vermutet, zeigen Verlierer weniger Aggressionen - sie lecken offenbar ihre Wunden, statt sich an ihren Bezwingern zu rächen.

Für eine Antwort auf die Frage, ob eher Sieger oder Verlierer austeilen, finden sich zahlreiche Studien, die beide Sichtweisen stützen. Leon Festinger argumentierte etwa, dass Menschen generell danach streben, ihren Status zu verbessern. Daraus leitete der Sozialpsychologe ab, dass es starke Frustrationen auslösen müsse, von einem Rivalen gebremst oder überflügelt zu werden - was in aggressivem Verhalten der Unterlegenen münde.

Für die Gegenposition sprechen Studien, in denen das Verhalten von Menschen in Machtpositionen untersucht wurde. Auf der Sonnenseite zu stehen, enthemme demnach. Es erzeuge die Illusion, alles unter Kontrolle zu haben, erhöhe die Bereitschaft, Risiken einzugehen und vermindere die Fähigkeit, sich in das Denken anderer hineinzuversetzen. "In leistungsorientierten Gesellschaften reagiert die Mehrheit in der Regel negativ auf erfolglose Menschen", schreibt auch Muller. Das alles erhöhe die Bereitschaft zu aggressivem Verhalten.

Die Ergebnisse der Psychologen stützen diese Sichtweise. In drei verschiedenen Versuchen - einer mit amerikanischen, zwei mit französischen Probanden - zeigten im Schnitt die überlegenen Teilnehmer stärkere Aggression. Die Probanden mussten unter einem Vorwand auf einem Bildschirm binnen Augenblicken diffuse Formen erkennen. Die Ergebnisse dieses Tests lassen sich leicht unbemerkt manipulieren, sodass die Psychologen stets einen klaren Sieger und einen klaren Verlierer bestimmen konnten, ohne dass diese den Schummel erkannten. Dann gab es die Chance zu einer Bestrafung.

In zwei Studien konnten die Probanden dem anderen unangenehme Geräusche in verschiedenen Lautstärken und unterschiedlicher Dauer auf einen Kopfhörer legen. Die Sieger traktierten ihre Opfer länger und mit lauterem Lärm als die Verlierer. In der dritten Studie kippten die Sieger besonders viel scharfe Pfeffersoße in ein Getränk, das die Loser zu sich nehmen mussten. Die Verlierer gingen stets milder mit dem Sieger um. Muller leitet daraus eine klare Warnung ab: "Pass bloß auf, wenn du der Verlierer bist!"


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(SZ vom 18.02.2012/mcs)

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