Psychologie: Misshandlung hinterlässt Narben im Hirn

Wer als Kind Misshandlungen erfahren hat, behält nicht nur psychische Narben zurück. Forscher der Universität Münster haben in einer Studie jetzt auch biologische Veränderungen im Gehirn belegt. Noch Jahrzehnte nach dem Missbrauch zeigten die Opfer eine erhöhte Aktivität des Angstzentrums und mehrere verkleinerte Gehirnareale, berichten die Forscher. Die Ergebnisse seien ein wichtiger Schritt, um den Zusammenhang zwischen Kindesmisshandlung und späteren psychischen Erkrankungen zu erklären.

Für ihre Studie untersuchten die Münsteraner Forscher 148 psychisch gesunde Erwachsene. Mit einem Fragebogen wurde zunächst ermittelt, ob ein Proband als Kind misshandelt wurde. Dann konfrontierten die Forscher die Testpersonen mit Fotos von wütenden oder furchtvollen Gesichtern und maßen gleichzeitig die Aktivität des sogenannten Mandelkerns (Amygdala), des Angstzentrums im Gehirn. Das Ergebnis: Im Gehirn misshandelter Probanden schlug das Angstzentrum deutlich heftiger Alarm als im Gehirn von Personen, die als Kind nicht misshandelt wurden.

Leben in Alarmbereitschaft

„Dieser Zusammenhang zwischen einem hypersensiblen Mandelkern und Kindesmisshandlung wurde bisher noch nie bei gesunden Menschen nachgewiesen“, erklärt der Psychiater Udo Dannlowski, einer der Autoren der Studie. Lediglich bei Ratten, die man sehr früh von den Müttern getrennt hat, und bei misshandelten, bereits depressiv erkrankten Menschen gab es schon ähnliche Befunde. Die Folgen einer solchen Überreaktion seien dramatisch: „Die Betroffenen fürchten sich schneller, haben einen stärkeren Schreckreflex, haben Angst vor Nähe zu anderen Menschen und sind im Alltag ängstlicher als andere Menschen.“ Alles in allem führten sie also ein Leben in Alarmbereitschaft.

In einem zweiten Versuchsteil vermaßen die Münsteraner Forscher die Größe bestimmter Bereiche im Gehirn. Bestimmte Regionen waren im Gehirn von Missbrauchsopfern signifikant kleiner als im Gehirn anderer Menschen. Zu demselben Schluss kommt eine Studie amerikanischer Forscher, die ebenfalls in dieser Woche veröffentlicht wurde (in den „Archives of Pediatrics Adolescent Medicine“). Betroffen waren unter anderem der sogenannte Hippocampus, der für das Lernen zuständig ist, aber auch der Stirnlappen, der eigentlich das Angstzentrum kontrollieren soll. „Kleinere Gehirnareale bedeuten weniger Zellen und das führt tendenziell zu einer schlechteren Funktion des betroffenen Gebiets“, sagt Udo Dannlowski.

Beide Ergebnisse – ein sensibles Angstzentrum und verkleinerte Gehirnbereiche – kennen die Forscher bereits: von Patienten mit Depressionen und Angstzuständen. In den Ergebnissen könnte also der Schlüssel liegen für eine biologische Erklärung des Zusammenhangs zwischen Misshandlungen im Kindesalter und späteren psychischen Erkrankungen wie Depressionen.

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