Psychologie: Lügen muss manchmal sein

Psychologie Lügen muss manchmal sein

Man muss immer die Wahrheit sagen! Das behaupten Erwachsene manchmal. Aber halten sie sich selbst auch daran? Wie das mit dem Lügen so läuft, haben wir einen Experten gefragt

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31.05.14, 01:30

Psychologie

Man muss immer die Wahrheit sagen! Das behaupten Erwachsene manchmal. Aber halten sie sich selbst auch daran? Wie das mit dem Lügen so läuft, haben wir einen Experten gefragt

Wer behauptet, noch nie gelogen zu haben, der lügt. Das meint der Experte Marc-André Reinhard, der sich schon seit ein paar Jahren mit Lügen beschäftigt. Warum und wann Menschen zur Lüge greifen, erklärt er hier.

Kinderpost:

Was genau ist eine Lüge?

Marc-André Reinhard:

Eine Lüge ist, wenn ich jemandem absichtlich eine Information gebe, von der ich glaube, dass sie nicht richtig ist. Ich muss dazu nicht reden. Man kann auch durch Nicken täuschen oder durch Schweigen. Wenn zum Beispiel in der Schule die Lehrerin sagt, dass sich der, der den Stuhl kaputt gemacht hat, melden soll, und alle schweigen, dann hat wahrscheinlich einer getäuscht.

Wie oft lügt man am Tag?

Untersuchungen haben ergeben, dass bei jedem dritten bis fünften Gespräch gelogen wird. In bestimmten Momenten lügt man häufiger als in anderen. Wie häufig man pro Tag lügt, hängt also davon ab, wie viele und was für Gespräche man führt.

Warum wird denn gelogen?

In der Wissenschaft unterscheidet man zwischen zwei Fällen. Zum einen gibt es Lügen, die einem einen Vorteil verschaffen sollen. Wenn der Schüler nicht zugibt, den Stuhl kaputt gemacht zu haben, entgeht er vielleicht Ärger. Und dann gibt es Lügen, bei denen man versucht, andere Personen zu schützen. Wenn unser kleiner Bruder nicht besonders gut malt, dann sagen wir trotzdem: Das ist ein schönes Bild. Weil die Wahrheit ihm wahrscheinlich wehtun würde.

Also ist es manchmal sogar besser, nicht die Wahrheit zu sagen?

Sagen wir mal so: Die Welt wäre ziemlich hart, wenn jeder immer das sagen würde, was er gerade empfindet oder denkt. Nehmen wir mal folgende Situation: Einer fragt, ob man mit ihm was unternehmen möchte. Es wäre ziemlich hart, wenn man da ganz ehrlich sagen würde: Nee, eigentlich habe ich überhaupt keine Lust auf dich.

Und trotzdem finden die meisten Leute, dass man nicht lügen sollte. Wann sind Lügen denn schlecht?

Es gibt Situationen, wo das ganz klar ist. Etwa wenn einer lügt, um anderen Geld aus der Tasche zu ziehen. Aber sehr oft ist es gar nicht so eindeutig, ob eine Lüge schlecht ist oder nicht. Ein Beispiel: Jemand fragt einen, wie er seinen neuen Haarschnitt findet. Der andere sagt: Toll. Obwohl er das gar nicht denkt. Jetzt kann man sich fragen: Lügt er, weil er den anderen nicht verletzen möchte? Das wäre okay. Oder macht er das einfach, weil er faul ist und einen Streit vermeiden möchte? Das wäre dann nicht so gut.

Woran kann man erkennen, ob einer lügt oder nicht?

Die meisten Leute glauben, dass Lügner nervös sind und deshalb wegschauen, rot werden oder stottern. Aber das stimmt leider nicht.

Das heißt, man kann gar nicht sicher sagen, ob einer lügt?

Sehr häufig nicht.

Sollte man also allen Leuten misstrauen?

Nein. Das hieße ja auch, dass man kein Lob annehmen kann. Das wäre genauso schlecht, als würde man alles glauben. Man sollte sich lieber die Situation genau angucken. Wenn jemand Geld dafür bekommt, dass er mir irgendwas verkauft, sollte ich nicht leichtgläubig sein. Aber das, was mein alter Freund zu mir sagt, kann ich ihm ruhig abnehmen.

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