"Psychologie hilft uns im Alltag".

Heiko Ernst, 65, war 37 Jahre lang Chefredakteur von "Psychologie Heute", das gerade 40 wird. Ende 2014 verabschiedet er sich in den Ruhestand.

Heiko_Ernst_200"Psychologie Heute" wird im Oktober 40. Steckt das Magazin schon in der Midlife-Crisis?

Nein, noch nicht. Wir planen weder einen Partnerwechsel noch kaufen wir uns eine Harley und verschwinden nach Patagonien. Aber die Spätpubertät haben wir auch hinter uns. Eigentlich sind wir in einem guten Alter: sehr erfahren, aber immer noch hungrig.

Sie arbeiten seit 39 Jahren in der Redaktion, seit 36 Jahren sind Sie Chefredakteur. Keine Angst vor dem Locked-in-Syndrom?

Locked-in wäre ich ja nur, wenn ich mich nicht äußern oder artikulieren könnte. Das Gegenteil ist der Fall: "Psychologie Heute" ist eine wunderbare Möglichkeit, das zu kommunizieren, was mir wichtig erscheint und am Herzen liegt.

Wenn man im Bahnhofskiosk steht, hat man das Gefühl, von Psychothemen überflutet zu werden. Sind die Deutschen ein Volk von Psychos geworden?

Nein, keine Psychos im Sinne von Hitchcock. Eher sind sie sensibilisiert für psychologische Themen. Psychologisches Wissen ist nicht nur hilfreich in vielen Lebenslagen - denken Sie an moderne Menschenführung, an die große Rolle des Psychischen in der Medizin oder an unsere Fußballweltmeister. Sie hilft uns auch im Alltag, andere besser zu verstehen – und vor allem auch sich selbst.

Wie hat sich das Magazinmachen geändert?

Wie alles hat sich auch unsere Arbeit beschleunigt: Die Informationsflüsse fließen sehr viel schneller – und breiter. Die Wissenschaft kommuniziert und publiziert vielleicht mehr als jeder andere Bereich übers Internet, und die Forschungsgebiete der Psychologie haben sich stark ausgeweitet, denken Sie nur an Neuropsychologie alias Gehirnforschung. Aber auch heute gilt: Man sieht nur, was man weiß. Das heißt: um dieses Überangebot sichten, bewerten und letztlich gut präsentieren zu können, braucht es Erfahrung, Vorwissen und Kritikfähigkeit. Und das ist bei "Psychologie Heute" reichlich vorhanden.

Das Internet ist voll von Psycho-Tipps und -Foren. Wie lange wird sich das gedruckte "Psychologie Heute" noch verkaufen?

"Psychologie Heute" ist längst auch als App zu haben, und wir haben schon nach relativ kurzer Zeit über 75.000 Follower bei Facebook. Es stimmt – Psycho-Tipps und Psycho-Foren gibt es reichlich. Aber wer wirklich persönlichen Nutzen aus all den Infos ziehen will, wer es genau wissen will, wer all die News einordnen und größere Zusammenhänge begreifen möchte, der muss zu Psychologie Heute greifen. Egal, ob zur gedruckten oder zur digitalen Ausgabe.

Ende des Jahres werden Sie Ihren Posten an Ihre Stellvertreterin Ursula Nuber weitergeben. Wie sieht die Bilanz nach fast vier Jahrzehnten aus?

Gut, sogar sehr gut. Wir blicken auf vier Jahrzehnte erfolgreichen Blattmachens zurück, haben unsere Pole-position als d a s Magazin für Psychologie und ihre Nachbarwissenschaften behauptet und ausgebaut. Und wir haben Psychologie als Thema in der Öffentlichkeit durchgesetzt. Wer Erfolg hat, findet früher oder später viele Nachahmer. Ursula Nuber ist die perfekte Nachfolgerin – sie wird die Schlagzahl noch erhöhen.
kress.de, psychologie-heute.de

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