Psychologie: Freunde sind für die Deutschen wichtiger als Familie

Psychologie Freunde sind für die Deutschen wichtiger als Familie

Die Deutschen stufen wahre Freundschaften höher ein als eine gute Paarbeziehung, Kinder zu haben und beruflichen Erfolg. Die Geschlechterunterschiede entsprechen aber den gängigen Klischees.

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11.02.14, 17:21

Psychologie

Die Deutschen stufen wahre Freundschaften höher ein als eine gute Paarbeziehung, Kinder zu haben und beruflichen Erfolg. Die Geschlechterunterschiede entsprechen aber den gängigen Klischees.

Von
Wolfgang W. Merkel

Foto: picture-alliance/ dpa

Wahre Freundschaft braucht – zumindest unter Männern – keine vielen Worte. Hauptsache, es ist Verlass auf einander, zum Beispiel beim gemeinsamen Hobby Schießsport oder beim Kampf gegen gesetzlose Schurken

Wahre Freundschaft braucht – zumindest unter Männern – keine vielen Worte. Hauptsache, es ist Verlass auf einander, zum Beispiel beim gemeinsamen Hobby Schießsport oder beim Kampf gegen gesetzlose Schurken

Gibt es noch richtige Freundschaften? In einer Zeit, in der viel beschäftigte Menschen immer mobiler werden? Es gibt sie. Und sie haben für die meisten Deutschen eine überraschend große Bedeutung, wie eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach ergeben hat. Die Studie im Auftrag des Hamburger Kaffeeherstellers Jacobs und in Kooperation mit "Bild der Frau" wurde am Dienstag in Berlin vorgestellt.

Die 1648 Befragten im Alter ab 14 Jahren wiesen der Freundschaft Platz 1 unter den Top 10 der "ganz besonders wichtigen" Werte zu. "Gute Freunde haben" ist für 85 Prozent essenziell. "Für die Familie da sein" und "eine glückliche Partnerschaft" liegen mit 78 und 75 Prozent ebenso dahinter wie persönliche Unabhängigkeit, soziale Gerechtigkeit und Kinder zu haben. Erfolg im Beruf liegt erst auf Platz 10 (54%, Mehrfachnennungen).

Das Motto "Freunde fürs Leben", das Jacobs als Überschrift der Studie gewählt hat, spiegelt sich in der Dauer der richtig guten Freundschaften wider. Über alle Altersgruppen gemittelt kennen die Deutschen ihre wirklich guten Freunde seit 24 Jahren. Bei der Generation 60+ sind es 39 Jahre, und selbst die 14- bis 17-Jährigen gaben an, ihre intensiven Freundschaften im Durchschnitt schon seit sieben Jahren zu pflegen. "Das Zeitfenster, in dem die meisten guten Freundschaften begründet werden, liegt im Alter zwischen 8 und 25 Jahren", erklärte Allensbach-Geschäftsführerin Professor Renate Köcher.

Fernfreundschaften halten durch Mail und Skype besser

Drei von vier Deutschen sagen, sie glaubten an Freundschaften fürs Leben, und zwei von drei sind auch überzeugt, tatsächlich Freunde fürs Leben zu haben. Immerhin fast jeder Fünfte war hier unentschlossen, und in jedem sechsten Leben gibt es keine dauerhafte Freundschaft.

Allerdings gaben 40 Prozent an, dass sie die bestehenden Freundschaften gern intensiver leben würden als sie es derzeit können. Hier zeigt sich wohl auch der Einfluss der schnelllebigen Zeit mit hoher Mobilität und starken beruflichen Anforderungen. Folgerichtig ist da für Köcher: "Wer oft umgezogen ist, hat mehr Fernfreundschaften als Freundschaften in derselben Region." Aber die fernen Kontakte reißen meist nicht ab – wenn es wirklich intensive sind. Mehr als die Hälfte derjenigen mit Fernfreundschaften sagen, dass sie sich beim Wiedersehen "auf Anhieb wieder gut verstanden haben. Es ist wie früher."

Hier kommen die elektronischen Kommunikationsmittel ins Spiel. Sie nützen den Fernfreundschaften eindeutig, sagten die Befragten. Mit ihnen könne man einfach besser Kontakt zum Leben der Freunde halten, auch wenn direkte Kontakte vorzuziehen seien. Schon die bis 17-Jährigen glauben, dass SMS, Mail und Skype die persönlichen Kontakte nur intensivieren können. Das Fazit der Befragten: Wohnt die Freundin/der Freund weiter weg, nützt das Internet, wohnen sie nah, dann schadet es eher.

In einer wahren Freundschaft ist der andere stets ein sicherer Hafen

Bei der Frage, wen man als einen guten Freund bezeichnen würde, ist sicher viel vages Bauchgefühl im Spiel. Objektiv betrachtet schätzen die Deutschen bei den Eigenschaften des besten Freunds/der besten Freundin vor allem Verlässlichkeit, Rat und Hilfe, Ehrlichkeit, Offenheit sowie Trost – in dieser Reihenfolge. Als wichtigste Freundschaftsdienste gelten den Deutschen "beim Umzug/Renovieren helfen", "sich füreinander Zeit nehmen", "sich gegenseitig mit Kontakten und Beziehungen helfen" sowie "Hilfe vor Prüfungen und schwierigen Gesprächen".

Michael Thiel, Hamburger Psychologe mit Schwerpunkt Beziehungs- und Glücksfragen, ergänzte bei der Präsentation: "Unter Freunden besteht gerade in einer schnelllebigen Zeit ein 'Schweigegelübde' und die Gewissheit, er oder sie bleibt für mich immer ein sicherer Hafen." Bei den Teenagern kommen ein paar Aktivitäten hinzu: Kleidung ausleihen, "Kupplerdienste" leisten und auch mal für den anderen flunkern.

Bei den Geschlechterunterschieden bestätigen sich die gängigen Klischees. Ausgiebig und offen miteinander reden, auch über Beziehungsprobleme: Das ist – man ahnt es – deutlich häufiger in Frauen- als in Männerfreundschaften anzutreffen. Auch Hilfe bei Krankheit und Begleitung bei Unternehmungen rangieren bei Frauen weiter oben.

Sich ein Hobby teilen, zusammen Spaß haben, sich Auto oder Kamera ausleihen und "auch mal zusammen schweigen" sind – ebenso erwartbar – eher die Freuden der Männerfreundschaft. "Beieinander sitzen, gemeinsam schweigen und hinterher das Gefühl haben, du hast einen guten Abend gehabt, das ist die höchste Form der Freundschaft", verteidigte schmunzelnd Michael Thiel das Schweigen der Männer.

Frauen reparieren das Herz, Männer das Auto

In einer Straßenumfrage im Rahmen der Jacobs-Studie formulierte ein Mann: "Ich bin auch schon mal tausend Kilometer gefahren, um einen Freund abzuholen und um gemeinsam ein Fußballspiel anzuschauen." Die Allensbach-Studie bringt den "Nutzwert" für die beiden Geschlechter auf folgenden griffigen Nenner: "Frauen reparieren das Herz, Männer das Auto."

Und die gemischtgeschlechtlichen Freundschaften? Steht da, wie vielfach angenommen, meist der Eros dazwischen? Stört der Sex im Hinterkopf das innige platonische Miteinander? Nicht immer, sagt Professor Köcher: "Es gibt diese gemischten Freundschaften, aber sie sind selten, weil die Perspektiven und Erwartungen so unterschiedlich sind."

Erstaunt hat die Auftraggeber der Studie und die Allensbach-Chefin, wie unterschiedlich Freunde sein können. Eigentlich seien Freundschaften ja "affirmative Beziehungen", wie Veranstaltungs- und TV-Moderatorin Amelie Fried am Dienstag sagte. Will sagen: Freundschaften gelten als Beziehungen, in denen man sich selbst versichert, gegenseitig zustimmt und bestärkt. Dennoch zeigt sich hier: Gegensätze ziehen sich an, sie bereichern das Leben, gute Freundschaften sind heterogen.

Gegensätze ziehen sich an

In der Mehrzahl der Freundschaften kommen beide aus unterschiedlichen Berufen, haben einen unterschiedlichen Partnerschaftsstatus (Single, verheiratet etc.), unterschiedliche Einkommen, wählen unterschiedliche Parteien und kommen aus verschiedenen Regionen. Sie sind also, wissenschaftlich ausgedrückt, "strukturell heterogen".

Köcher geht noch einen Schritt weiter: "Strukturell heterogene Freundschaften sind intensiver und liefern mehr Anregungen. Wie ausgeprägt das ist, hat mich überrascht – und mich überrascht nicht mehr viel." Das sei ein ermutigendes Signal, sagte Psychologe Thiel auf Amelie Frieds Frage nach der Bedeutung für unsere Multikulti-Gesellschaft.

Aus der Freundschaft wird allerdings nichts, und das sind die Ausnahmen, wenn grundsätzliche Werte und Weltanschauungen aufeinandertreffen: Ein weltoffener und toleranter Mensch will wohl kaum einen Nationalisten zum Kumpel haben. Und der Humor: Wenn der zu unterschiedlich ist, klappt es mit der Freundschaft fürs Leben auch nicht.


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