Psychologie: Facebook trübt die Lebenslust

Im Februar 2004 gründete Mark Zuckerberg in seinem Schlafraum an der Harvard University „Thefacebook“, einen Monat später hatte sich die halbe Studentenschaft der Uni eingeschrieben. Heute fischen und zappeln über eine Milliarde Menschen in diesem Netz, die Hälfte ist täglich darin unterwegs, einen vergleichbaren Umbruch der Kommunikationsgewohnheiten sucht man vergeblich. Das hat auch die einschlägigen Wissenschaften geweckt, zumindest ein wenig: Bis Januar 2012 waren 415 Forschungsarbeiten erschienen, die Facebook entweder als Datenquelle nutzten oder thematisierten.

Es geht vor allem darum, wie Facebook das Verhalten beeinflusst (27 Prozent der Arbeiten), wer darin unterwegs ist (24%) und warum (19%). Robert Wilson (University of Washington, St. Louis) hat es ausgezählt (Persp. Psych. Sci. 7, S.203). Ein Thema allerdings ist noch überhaupt nicht aufgetaucht, nämlich wie diese Technik das Befinden ihrer User beieinflusst? Das fiel dem Psychologen Ethan Kross (Michigan State University) auf, er begann, die Lücke zu schließen.

Dazu verschickte er zwei Wochen lang fünfmal am Tag – zu den unterschiedlichsten Zeiten – fünf Fragen an 82 Testpersonen, junge Leute aus der Region: „Wie fühlen Sie sich jetzt?“, „Wie einsam fühlen Sie sich?“, „Wie besorgt sind Sie gerade?“ „Wie oft waren Sie seit unserer letzten Anfrage in Facebook?“, „Wie oft hatten Sie seitdem ,direkten‘ Kontakt mit anderen?“

Die Fragen waren so zugeschnitten, dass sie beide Komponenten des Wohlbefindens abdeckten, die „affektive“ (wie man sich fühlt) und die „kognitive“ (wie zufrieden man ist). Gegen alle Erwartungen ging es mit beiden bergab, nicht viel, aber doch: „An der Oberfläche ist Facebook eine unschätzbare Ressource zur Erfüllung des Grundbedürfnisses nach sozialer Verbindung“, fasst Kross zusammen: „Aber statt einer Förderung des Wohlbefindens fanden wir den gegenteiligen Effekt“ (PLoS One, 14.8.).

Wo der herkommt, ist rätselhaft, bisher weiß man nur, wo er nicht herkommt: Die Menschen gehen nicht etwa dann in Facebook, wenn es ihnen schlecht geht, die Kausalität läuft umgekehrt, es geht ihnen schlecht(er), wenn sie in Facebook waren. Und generell am Sozialen liegt es auch nicht: Wer häufig „direkte“ Kontakte zu anderen hatte – face to face oder per Telefon –, der fühlte sich hinterher wohler. jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2013)

Leave a Reply