Psychologie: Erfolg macht unsozial

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Schon kleine Kinder sind eher hilfsbereit, wenn sie glauben, einen niedrigeren Status als andere zu haben. Wer selbst gewinnt, denkt weniger an andere, zeigen psychologische Versuche.

Dass nicht alle Menschen gleichermaßen sozial denken und handeln, liegt auf der Hand. Das Spektrum menschlichen Verhaltens reicht von rücksichtslosem Egoismus bis zur selbstlosen Aufopferung für andere. Doch völlig willkürlich lassen sich Menschen innerhalb dieser Bandbreite offensichtlich nicht verorten. Wie psychologische Versuche jetzt gezeigt haben, besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem sozialen Status und den sozialen Überzeugungen und Handlungen von Menschen.

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Psychologen um Ana Guinote vom University College London haben in vier Experimenten nachgewiesen, dass Menschen mit geringem Prestige, also Ansehen bei anderen, eher gemeinschaftliches Verhalten zeigen und an sozialer Gleichheit orientierte Werte vertreten, als solche, die einen hohen Status innehaben.

Besonders erstaunlich: Das gilt schon bei Kleinkindern. Vorschüler mit geringem Sozialprestige waren in Versuchen eher bereit, anderen Kindern zu helfen, selbst wenn das mit größerem Aufwand verbunden war. „Dieses Muster der Beziehung zwischen sozialer Hierarchie und Altruismus taucht auf, bevor die Kinder lesen können und bevor sie komplexe moralische Überlegungen und soziale Wahrnehmungen anstellen können“, schreiben die Autoren.

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Im Test mit 48 Vorschulkindern von durchschnittlich 4,7 Jahren wurden jeweils zwei gleichaltrigen Kindern desselben Geschlechts zwei Spielzeuge zur Auswahl präsentiert: ein beliebtes und ein weniger beliebtes. Wer sich im Wettbewerb um das beliebtere Spielzeug durchsetzte, galt für die folgende Untersuchung als höher stehend.

Dann wurden die Kinder gefragt, ob sie von fünf Stickern, die sie erhalten hatten, einige an ein angebliches Kind im Krankenhaus ohne Sticker abgeben möchten. Die Verlierer des vorhergegangenen Wettbewerbs gaben im Schnitt häufiger und mehr Sticker an vermeintlich kranke Kinder ab als die Gewinner.  

Für Erwachsene gilt Ähnliches: Solche mit niedrigem Status halfen eher und zeigten eher altruistische Absichten als hochstehende Menschen. Letztere dagegen legten besonderen Wert darauf, als kompetent zu erscheinen.  „Erwachsene mit geringerem Status planen öfter eine berufliche Karriere, die der Gemeinschaft dient, und vertreten mildtätigere und universellere Werte als Personen mit hohem Status“, schreiben die Autoren.  

In einem der Experimente beobachteten sie nach einem Schein-Test, ob Testpersonen einem Mitarbeiter halfen, dem scheinbar zufällig Stifte heruntergefallen waren. Zuvor war den Probanden – Studenten verschiedener Fachrichtungen – mit einem psychologisch bewährten Verfahren eingeredet worden, dass ihr Fachbereich besonders hochstehend oder eher unbedeutend sei. Letztere halfen deutlich öfter und intensiver beim Aufheben der Stifte.

Auf ähnliche Art und Weise wurden auch 50 Kunststudenten durch scheinbare Wertungen ihrer Kunstakademien mit einem hohen oder niedrigeren Status konditioniert. Daraufhin füllten sie Fragebögen über ihre Lebensziele aus. Dabei zeigten die mit niedrigerem Status eine eindeutige Tendenz zu weniger egoistischen und eher am Wohl anderer Menschen ausgerichteten Zielen. Sie gaben auch im Schnitt mehr gewünschte Kinder an.

Was könnten die Gründe für diesen Zusammenhang sein? Guinote und Kollegen bieten eine evolutionsgeschichtliche Erklärung an: „Mildtätigkeit und partnerschaftliches Verhalten könnte eine Anpassungsstrategie für solche in niedriger Position gewesen sein. Unter vorgeschichtlichen Bedingungen hat ein kooperatives Verhalten den Menschen bessere Aussichten verschafft bei der Nahrungsbeschaffung, Partnerfindung und Verteidigung gegen Bedrohungen.“  

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