Psychologie – Die Vermessung der Liebe

Anzeige



Drei Dimensionen hat die Liebe. Frauen wollen Nackenmassagen. Und heutzutage brauchen manche Menschen Excel-Tabellen für die Verwaltung ihrer Dates. Dies sind nur einige der Erkenntnisse über das mächtige Gefühl, die Wissenschaftler in Berlin vorstellten.

Christopher Schrader ist seit dem Jahr 2000 Redakteur im Wissenschaftsressort der Süddeutschen Zeitung. Er schreibt vor allem über Energie- und Klimathemen, kümmert sich aber auch um Geowissenschaften und Technik. Im Jahr 2009 hat er die große SZ-Serie zum 150. Jubiläum der Darwinschen Evolutionstheorie betreut. Schrader ist Diplomphysiker und Absolvent der Henri-Nannen-Schule, der Journalistenschule des Verlags Gruner+Jahr. Er war Redakteur bei Geo-Wissen und dem schweizerischen Nachrichtenmagazin Facts, bevor er nach München kam.

Ganz schön gewagt, was dieser Einstein da zu Papier bringt. Nein, nicht die Relativitätstheorie, welche die Menschen aufwühlt, weil sie die Stellung des Homo sapiens im Universum relativiert. Die Zeilen Einsteins, um die es hier geht, tun das Gegenteil. Sie rücken einen Menschen in den Mittelpunkt seines Universums. Mileva Maric, seine Kommilitonin, Geliebte und spätere Ehefrau, der Einstein im Jahr 1900 schrieb: "Mein liebstes Doxerl! Da ich schreib in meinem Bett, wirds halt nicht so furchtbar nett!"

Als diese Worte durch den Schacht des Paternosters hallen, kichert das Publikum. Es steht dicht gedrängt in einem Treppenhaus der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am Berliner Gendarmenmarkt und sieht einer Performance zu. Studenten der Universität der Künste deklamieren Liebesbriefe von Engels, Lichtenberg und Einstein, während sie in den offenen Kabinen des Aufzugs fahren. Besonders die Hinterlassenschaften des Physikers erzeugen Spannung: der vergeistigte Kopf, vernebelt von der romantischen Liebe, erfüllt von erotischer Lust.

Solche Spannung ist Programm. Der ganze Abend, den die Performance in stündlichen Wiederholungen garniert, lebt davon, "den Gegensatz der verwirrend-emotionalen Welt der Liebe und der analytisch-reflektierenden Welt der Wissenschaft" zu erkunden, wie Akademie-Präsident Günter Stock am Anfang sagt. Sein Haus hat am Samstagabend zu einem nach der preußischen Königin und Gründerin der Akademie, Sophie Charlotte, benannten Salon eingeladen, und Hunderte sind gekommen. In vielen Vortragsräumen gibt es bis Mitternacht nur Stehplätze, teilweise drängen sich die Interessierten im Gang. Auf den Podien wirken auch drei Kulturjournalisten der SZ mit.

Anzeige


Das Publikum erfährt einiges über die Psychologie der Liebe, über Online-Partnerbörsen, den Liebestod in der Oper und vulgäre Kritzeleien in Pompeji, an deren Entschlüsselung Forscher der Akademie arbeiten. Woanders, beim "Speed-Dating" mit Max-Planck-Wissenschaftlern, sind untreue Vögel und von Parasiten befallene Stichlinge das Thema. Liebe sei "auch so ein Problem, das Marx nicht gelöst hat", erfahren die Besucher, bevor eine Literaturwissenschaftlerin über den Roman "50 Shades of Grey" rekurriert. Das Programm enthält gut 50 Angebote, die in Sälen, Büros, Gängen und Treppenhäusern der Akademie sowie des angrenzenden Forums der Max-Planck-Gesellschaft stattfinden. Dekoriert ist der Gebäudekomplex mit rotem Licht und weißen Luftballons in verknoteten Damenstrumpfhosen.

Eine präzise Definition von Liebe bleiben die Wissenschaftler auch an diesem Abend schuldig. Aber der Psychologe Manfred Hassebrauck von der Universität Wuppertal nennt zumindest die Dimensionen, in denen sich die Liebe gemeinhin entwickelt. "Es beginnt meist mit körperlicher Leidenschaft beim Verliebtsein", erklärt er. "Kommt die emotionale Intimität und Vertrautheit hinzu, haben die Partner die romantische Liebe erreicht." Als dritte Grunddimension kennt die Psychologie die kognitive Bindung aneinander; hat ein Paar alle drei erreicht, sprechen Wissenschaftler von der vollendeten Liebe.

Open all references in tabs: [1 - 4]

Leave a Reply