Psychologie der Augenzeugen: So bastelt sich das Gehirn seine Erinnerungen

BerlinFestplatte im Kopf – der Rückgriff auf die Technik liegt verführerisch nahe, wenn es gilt, das menschliche Gedächtnis fassbar zu machen. Doch so präzise wie die Speichereinheit eines Computers arbeitet unser Erinnerungsvermögen keineswegs.

Und genau das kann für Polizisten und Juristen zum Problem werden: Wie weit können sie sich auf die Angaben von Augenzeugen verlassen, wenn es etwa gilt, nach Anschlägen wie jüngst in Paris Tathergänge zu rekonstruieren, Verdächtige zu ermitteln und Schuldige zu verurteilen?

„Erinnern ist das wahre Vergessen“, sagt der Biopsychologe Onur Güntürkün. „Unsere Erinnerungen sind in größter Gefahr, wenn wir uns an sie erinnern. Dann werden sie sehr fragil und können zerstört oder modifiziert werden.“

Der Forscher der Ruhr-Universität Bochum weiß, wie schmal der Grat zwischen Erinnern, Vergessen und Manipulation ist. Manchmal hängt es an einem einzigen Wort. Je nachdem, ob etwa Zeugen gefragt werden, ob ein Auto in ein anderes „gekracht“ sei oder ob es „auffuhr“, berichten sie von unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die Intensität des Verbs, das der Fragende benutzt, kann darüber entscheiden, ob sich der Zeuge an Glassplitter erinnert oder auch nicht.

Wer die Funktionsmechanismen des Gedächtnisses nicht versteht und nicht weiß, dass Erinnerungen implantiert werden können, der kann schlimmen Irrtümern erliegen. Vor allem vor Gericht, wo ein solches Wissen oder Nicht-Wissen unter Umständen darüber entscheidet, „ob ein Unschuldiger in den Knast geht oder ein Schuldiger nicht“, so der Forscher.

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