Psychologie Das Fenster zum Ich

Schnell schließen wir vom Aussehen und von der Körpersprache eines Menschen auf seinen Charakter. Doch wie gut kann man wirklich in andere hineinsehen?

Wer ein Seminar bei Jörg Merten besucht hat, sieht danach mitunter Verstörendes in den Gesichtern der anderen. Ein leichtes Zucken zum Beispiel. Merten macht es vor: Er zieht ganz kurz seine linke Wange hoch, als rümpfe er einseitig die Nase. Das Zucken ist so flüchtig und zart, dass man es leicht übersieht. Dabei ist seine Botschaft gravierend. Es bedeutet Verachtung.

Jörg Merten lehrt Psychologie an der Universität des Saarlandes und leitet das Institut für Mimikforschung Gnosis Facialis. Er bringt Menschen bei, in Gesichtern zu lesen. »Für die Kursteilnehmer ist das so, als öffne sich eine Tür zu einer neuen Welt«, sagt er. Plötzlich sehen sie in der Mimik anderer feine Bewegungen, die ihnen zuvor entgangen sind. Mit etwas Übung erkennen sie sogar versteckte Signale. »Man kann manchmal auch Emotionen sehen, die das Gegenüber verbergen will«, sagt Merten.

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Es ist ein verlockender Gedanke: hinter die Fassade der anderen zu blicken, sehen zu können, was sie wirklich fühlen und denken. Zu einem gewissen Grad beherrscht jeder diese Fähigkeit und nutzt sie tagtäglich, oft unbewusst. Wenn Menschen einander begegnen, machen sie sich automatisch ein Bild davon, was im anderen vorgeht, ja sogar was für ein Wesen er hat. Innerhalb von Sekunden schließen wir von der äußeren Erscheinung auf Charakter und Einstellungen. Wir sehen Kleidung, Körpersprache und Gesicht und meinen prompt zu wissen, was für ein Mensch vor uns steht. Und allzu leicht glaubt man, jemanden in- und auswendig zu kennen, sein Verhalten vorhersagen zu können. Forscher versuchen zu ergründen, wie solche Eindrücke entstehen und wie gut man wirklich in andere hineinsehen kann.

Der Mensch ist ein soziales Wesen, sein ausgeprägtes kooperatives Denken hat ihn in der Evolution erfolgreich gemacht. Es ist überlebenswichtig, schnell zu begreifen, wer Freund und wer Feind ist und was in den Artgenossen vorgeht. Haben sie Angst, droht womöglich auch Gefahr für das eigene Leben. Kochen sie innerlich vor Wut, gilt es, zu beschwichtigen, ehe es Schläge setzt. Schon Darwin war überzeugt, dass es einen evolutionären Vorteil hat, Emotionen ausdrücken und ablesen zu können.

»Die Schnittstelle zwischen innen und außen«, sagt Jörg Merten, »sind die Muskeln.« Mit ihnen senden wir Signale an die Umwelt, die sich in Körperhaltung, Bewegungen und vor allem in der Mimik niederschlagen. Diese gleicht einem universellen Code, der Menschen hilft, einander zu verstehen.

Die amerikanischen Psychologen Paul Ekman und Wallace Friesen haben mit ihrem Facial Action Coding System dokumentiert, welche Muskeln – Action Units – angespannt werden, um die grundlegenden Emotionen Ärger, Angst, Trauer, Freude, Ekel, Verachtung und Überraschung zu zeigen. Trauer etwa lässt sich schon mit einer einzigen Bewegung ausdrücken. Jörg Merten hebt seine Augenbrauen zur Mitte hin an – und sieht mitleiderregend aus. Ärger ist etwas komplexer. »Da gibt es zum Beispiel die Action Units vier und sieben«, sagt Merten, zieht die Stirnfalte zusammen und verengt die Augen.

Einblicke in die Seele offenbart die Mimik aber nicht immer. Manche Ausdrücke sind schlicht Angewohnheit oder dienen dazu, beim Erzählen Akzente zu setzen, sagt Merten. »Außerdem verfügen wir über viel Potenzial, andere zu täuschen.« Wer seine wahren Emotionen verbergen kann, etwa die Wut auf den Chef, hat Vorteile, denn er eckt weniger an.

Allerdings hinterlassen auch unterdrückte Emotionen Spuren, sogenannte micromomentary expressions: minimale Bewegungen, die für Zehntelsekunden übers Gesicht huschen, bevor die Mimik unter Kontrolle gebracht ist. Die Signale sind schwer zu erkennen, aber man kann seinen Blick für sie trainieren. In Mertens Kursen lernen dies etwa Psychologen, Coachs und Verhandlungsführer aus der Wirtschaft. In Gesichtern wie in einem Buch zu lesen sei aber dennoch nicht möglich, betont Merten. Der Eindruck, den Beobachter von außen gewinnen, sei stets konstruiert und durch eigene Emotionen gefärbt. Seine Experimente ergaben: Sollen Personen einschätzen, wie sich ihr Gegenüber in einem Gespräch gefühlt hat, dann hängt das Ergebnis auch davon ab, was sie selbst in dieser Situation empfunden haben. »Wir sind eben keine Messinstrumente.«

Am Media Lab des Massachusetts Institute of Technology arbeiten Wissenschaftler an Maschinen, die Gesichtsausdrücke objektiver analysieren sollen als ein Mensch. Wer die berühmte Bastelwerkstatt betritt, stößt auf erstaunliche Erfindungen, darunter ein Spiegel, der Herzfrequenzen misst. Hier hat Rana el Kaliouby eine Brille entwickelt, die Mimik interpretiert.

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  1. Schließen Sie die Augen, verstopfen Sie Ohren und Nase, und dann werden Sie rasch sehen, wie es Ihnen schwingend kommuniziert mit dem, wasw um Sie herum vorgeht. Man kann Menschen FÜHLEN - am unverfälschtesten, wenn man sich durch keine anderen Sinne, Optisches, Gerüche u. dgl. beeinträchtigen lässt

    ... und hüten Sie sich vor Menschen, die sich selbst soweit abgestumpft haben, dass sie das nicht mehr können!

  2. "Dabei kann es passieren, dass sie zu einem Eindruck gelangen, der dem Selbstbild widerspricht. »Sie haben dieses Gefühl, dass sie etwas über den anderen erkannt haben, ein Muster, das er selbst nicht sieht«, sagt Back, »sie haben also ein starkes Evidenzerleben.« Das führt zum Konflikt, denn Menschen neigen dazu, an ihr eigenes Urteil zu glauben. Wer im Recht ist, lässt sich oft schwer beurteilen. Aber in der Regel ist das Selbstbild ohnehin stabil gegenüber solchen Feedbacks, zumindest wenn sie negativ sind. »Menschen sind sehr kreativ darin, jede Form von Information im eigenen Sinne zu interpretieren«, sagt Back."

    Allerdings kann es einem auch andersherum gehen, dass Menschen meinen, einen total durchschaut zu haben, obwohl sie das nicht haben. Ich habe mich eine Zeit lang viel zu sehr von solchen Leuten beeinflussen lassen, um später zu erkennen, dass zumindest manches von dem, was sie über mich ganz sicher zu wissen glaubten, nicht zutraf.

    Zu den Charakterzügen, auf die man anhand von Gesichtszügen zu schließen meint: Meine These ist, dass Menschen mit bestimmten Gesichtszügen von anderen in eine gewisse Schublade gesteckt werden - und in der Folge auch dementsprechend behandelt werden. Ich denke nicht, dass das gänzlich ohne Einfluss auf den Charakter bleibt!

    Wirklich.
    Sie sehen einen Politiker im Fernsehen. Er vertritt eine These.
    Sie sehen seine Rede und irgendwie haben Sie das Gefühl das er unglaubwürdig ist. Das er genau das Gegenteil von dem meint was er sagt.
    Sechster Sinn? Mitnichten. Es sind die nonverbalen Signale gewesen die sie unterbewusst registriert haben. Ihr Unterbewusstsein hat den Politiker korrekt eingeschätzt.

    Dazu noch ein Beispiel: Jemand erzählt von seinem tollsten Urlaub. Achten Sie mal bewusst darauf ob dieser Jemand das Gesagte mit der Gestik "unterstreicht". Warum? Menschen wollen immer sichergehen das sie verstanden werden. Also gestikulieren sie bei beim Reden um Gesagtes deutlicher zu machen. Jemand der lügt tut das nicht, weil das Gehirn zu sehr mit der Lüge beschäftigt ist.

    Sie haben Recht, wenn jemand immer gemäß seiner Vorurteile behandelt wird, verhält er sich auch so. Bei diesem Thema passiert dies aber unbewusst, das heisst weder "das Opfer" noch "der Täter" wissen davon das sie den anderen so behandeln oder einschätzen.

    Wirklich.
    Sie sehen einen Politiker im Fernsehen. Er vertritt eine These.
    Sie sehen seine Rede und irgendwie haben Sie das Gefühl das er unglaubwürdig ist. Das er genau das Gegenteil von dem meint was er sagt.
    Sechster Sinn? Mitnichten. Es sind die nonverbalen Signale gewesen die sie unterbewusst registriert haben. Ihr Unterbewusstsein hat den Politiker korrekt eingeschätzt.

    Dazu noch ein Beispiel: Jemand erzählt von seinem tollsten Urlaub. Achten Sie mal bewusst darauf ob dieser Jemand das Gesagte mit der Gestik "unterstreicht". Warum? Menschen wollen immer sichergehen das sie verstanden werden. Also gestikulieren sie bei beim Reden um Gesagtes deutlicher zu machen. Jemand der lügt tut das nicht, weil das Gehirn zu sehr mit der Lüge beschäftigt ist.

    Sie haben Recht, wenn jemand immer gemäß seiner Vorurteile behandelt wird, verhält er sich auch so. Bei diesem Thema passiert dies aber unbewusst, das heisst weder "das Opfer" noch "der Täter" wissen davon das sie den anderen so behandeln oder einschätzen.

  3. Hat aber nichts mit Psychologie zu tun. Mi Psychologie will man platt gesagt herausfinden was einen Menschen umtreibt, also in sein Inneres sehen.

    Bei Mr. Ekman geht es um Nonverbale Kommunikation. Ein viel leichteres und empirischeres Feld als die Psychologie.
    Warum?
    Weil Emotionen erstens immer gleich aussehen und zweitens -entgegen weitläufiger Meinung. gleich handeln. Beispiel: Wer wütend ist ballt die Faust. Jeder.
    Also falls ihr mal ein Gespräch habt und jemand ballt plötzlich die Faust ist er innerlich wütend, auch wenn er immer noch sein künstliches Lächeln aufhat.

    Und das gilt für alle Emotionen.
    "In 1sek den MEnschen einschätzen" ist kein leerer Spruch. Aufgrund der Mikroausdrücke (ein spezielleres Feld der Nonv. Kommunikation, bekannt durch Dr. Ekman, im Fernsehen dargestellt durch die Serie Lie to me) kann das Gehirn sofort jemanden einschätzen.

    Es gibt dazu schöne Bücher. Und wenn man ein wenig sich von dem Gedanken gelöst hat das die Menschen doch unterschiedlich sind, und stattdessen einsieht das die Menschen doch gleicher sind als sie wahrhaben wollen, wird man in Gesprächen schneller erkennen wie das Gegenüber zu einem Thema steht. Ist das Lächeln wirklich echt? Ist der Chef wirklich glücklich über meine Arbeit? Mag mein Sohn wirklich meinen Partner?

    Ein spannendes Thema. Wer sich reinlesen will, dem seien die Bücher von Joe Narravo empfohlen. Und sehr viel empirischer als diese sogenannten Psychotests die man überall findet.

    • cordty
    • 30.06.2012 um
      18:48 Uhr

    ...ein wirklich sehr interessantes Thema. Man kann sich hier aber auf sehr dünnem Eis bewegen - gerade wenn man den Menschen nicht kennt. Vielleicht ist der ein oder andere Gesichtszug einfach nur eine Angewohnheit. Dies könnte schnell zu einer Fehlinterpretation führen.

    Ich kann dazu das Buch "Menschen lesen" von Joe Navarro empfehlen. Der Autor geht auch auf Körpersprache ein. Ein wirklich sehr interessantes Buch. Seit dem ich mich damit beschäftigt habe, beobachte ich die Menschen in meinem Umfeld - gerade im Job - noch intensiver. Und es ist wirklich erstaunlich, was man über Menschen erfahren kann...

    Das interessiert mich jetzt: Hatten Sie schon mal Menschen die eine nonverbale Geste aus Gewohnheit zeigten?
    Und damit meine ich jetzt die Gesten um die es geht, die unterbewussten.

    Klar, manche Leute haben "Splins". Wenn man da schlechte Erfahrungen gemacht hat ordnet man sie falsch ein. Bei der unbewussten Kommunikation ist mir das aber noch nie passiert. Eben weil sie unbewusst und vom Handelnden nicht kontrollierbar ist. (Außer mit sehr viel Mühe, was wiederum sichtbar ist.)

    Das interessiert mich jetzt: Hatten Sie schon mal Menschen die eine nonverbale Geste aus Gewohnheit zeigten?
    Und damit meine ich jetzt die Gesten um die es geht, die unterbewussten.

    Klar, manche Leute haben "Splins". Wenn man da schlechte Erfahrungen gemacht hat ordnet man sie falsch ein. Bei der unbewussten Kommunikation ist mir das aber noch nie passiert. Eben weil sie unbewusst und vom Handelnden nicht kontrollierbar ist. (Außer mit sehr viel Mühe, was wiederum sichtbar ist.)

  4. Wirklich.
    Sie sehen einen Politiker im Fernsehen. Er vertritt eine These.
    Sie sehen seine Rede und irgendwie haben Sie das Gefühl das er unglaubwürdig ist. Das er genau das Gegenteil von dem meint was er sagt.
    Sechster Sinn? Mitnichten. Es sind die nonverbalen Signale gewesen die sie unterbewusst registriert haben. Ihr Unterbewusstsein hat den Politiker korrekt eingeschätzt.

    Dazu noch ein Beispiel: Jemand erzählt von seinem tollsten Urlaub. Achten Sie mal bewusst darauf ob dieser Jemand das Gesagte mit der Gestik "unterstreicht". Warum? Menschen wollen immer sichergehen das sie verstanden werden. Also gestikulieren sie bei beim Reden um Gesagtes deutlicher zu machen. Jemand der lügt tut das nicht, weil das Gehirn zu sehr mit der Lüge beschäftigt ist.

    Sie haben Recht, wenn jemand immer gemäß seiner Vorurteile behandelt wird, verhält er sich auch so. Bei diesem Thema passiert dies aber unbewusst, das heisst weder "das Opfer" noch "der Täter" wissen davon das sie den anderen so behandeln oder einschätzen.

  5. Das interessiert mich jetzt: Hatten Sie schon mal Menschen die eine nonverbale Geste aus Gewohnheit zeigten?
    Und damit meine ich jetzt die Gesten um die es geht, die unterbewussten.

    Klar, manche Leute haben "Splins". Wenn man da schlechte Erfahrungen gemacht hat ordnet man sie falsch ein. Bei der unbewussten Kommunikation ist mir das aber noch nie passiert. Eben weil sie unbewusst und vom Handelnden nicht kontrollierbar ist. (Außer mit sehr viel Mühe, was wiederum sichtbar ist.)

    • cordty
    • 30.06.2012 um
      19:01 Uhr

    Natürlich meinte ich die von Ihnen angesprochenen "Splins". Ist vielleicht nicht ganz so rüber gekommen.
    Was ich damit meine: Steht mir eine fremder Mensch gegenüber und hat einen "Splin", könnte ich dies als nonverbale Geste verstehen, weil ich ihn einfach (noch) nicht lang genug kenne, um dies einzuschätzen.
    Kenne ich jedoch einen Menschen lang genug und weiß, dass er immer die linke Augenbraun hoch zieht (Splin), würde ich ich das Hochziehen der rechten Augenbraue in einer bestimmten Situation anders bewerten.
    Ist das verständliccher? 😉

  6. Die ersten 1 1/2 Seiten des Artikels sind interessant und danach geht es nur noch um diese und jene Studien die alle etwas anderes sagen (wie bei Studien eben ueblich). Ist das wirklich erwaehnenswert?

    Ich bin selbst zwar nicht blind und kann auch schlecht nachvollziehen wie Blinde fuehlen und ihre Umwelt wahrnehmen koennen, aber diese Brille klingt doch auch recht interessant fuer jene oder?

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