Psychologen untersuchen, wie es im Fußballstadion friedlich bleibt

Von drohenden Konflikten auf der Tribüne, die Fangruppen selbst untereinander verhindern, bekommt hingegen kaum jemand etwas mit. DFB und Ligaverband (DFL) finanzieren jetzt ein Forschungsprojekt der Uni Kassel, das diese Form der Selbstregulierung unter Fans wissenschaftlich untersucht.

„Wir gehen davon aus, dass Fußballfans ein sehr hohes Selbstregulierungspotenzial haben“, sagt Projektleiterin Prof. Heidi Möller vom Institut für Psychologie. Ziel der Fanstudie sei es, die friedliche Konfliktlösung untereinander zu analysieren und „das, was Fußballfans im Sinne der Selbstregulierung leisten, sichtbar zu machen“, sagt sie.

Dafür hat die Professorin mit drei wissenschaftlichen Mitarbeitern von ihrem Institut Fans verschiedener Vereine aus der ersten und zweiten Bundesliga sowie der dritten Liga zu Diskussionsrunden eingeladen. „Wir möchten Erfahrungen und Erlebnisse sammeln, die Fans im Zusammenhang mit Konflikten gemacht haben“, sagt Projektmitarbeiterin Denise Schubert. Am Ende werden die Kasseler Psychologen bundesweit 30 Gruppengespräche mit 200 Fans geführt haben.

„Natürlich hätten wir uns auch nur mit Ultragruppierungen beschäftigen können“, sagt Schubert, „wir möchten jedoch mit allen Fans sprechen.“ Deshalb befragen die Forscher sowohl Anhänger von Ultrabewegungen als auch gemäßigtere Mitglieder von Fanclubs und Menschen, die bei Heimspielen im Familienblock sitzen. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Vinzenz Thalheim (28) sagt: „Unser Anspruch ist es, einen aktuellen Querschnitt durch die Stadionbesucher zu ermitteln.“ Bisherige Fanstudien stammten aus den 1980er-Jahren und könnten die heutige Realität auf den Tribünen nicht mehr widerspiegeln.

Ihre Ergebnisse werten die Wissenschaftler bis September 2015 aus. „Denkbar ist, dass DFB und DFL sie in einem Handbuch veröffentlichen“, sagt Projektmitarbeiter Dr. Martin Seip. Möglich sei auch, dass die Forschungsergebnisse in präventive Beratungsangebote für Fanprojekte und Fanclubs einfließen, die dann wiederum ihre Anhänger näher mit gegenseitiger Deeskalation im Stadion vertraut machen können. „Je mehr Fans über die Möglichkeiten der Selbstregulation informiert werden, desto weniger Negativschlagzeilen wird es auch über sie geben“, sagt Seip. Denn wenn Selbstregulation funktioniere, sei sie unsichtbar. Fotos: Schaffner

Von Sebastian Schaffner

Leave a Reply