Psychologen sehen Depressionen auf dem Vormarsch

Der Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Bochum, der die Tagung mit einem Vortag zum Thema “Positive Emotionen als Schutzfaktor unserer psychischen Gesundheit” eröffnete, wies anlässlich der beginnenden 11. Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Psychologie (ÖGP) auf “spektakuläre Daten” hin, die nicht nur in Nordamerika starke Zuwächse bescheinigen. Gleichzeitig sei in den vergangenen Jahrzehnten wachsender Narzissmus zu beobachten.

Zunehmende Ichbezogenheit lasse sich abseits der klinischen Forschung etwa auch in Popsongs nachweisen, in denen Wörter wie “I, me, mine” (englisch für “ich”, “mich”, “mein”; Anm.) heute häufiger vorkommen als noch vor 20 Jahren. Das sei gesamtgesellschaftlich eingebettet in eine “Verschiebung von internalen zu externalen Zielen”, so Margraf. Der Anspruch, sich über Status und Geld zu definieren und weniger über Beziehungen und Suche nach Sinnhaftigkeit rücke in den Vordergrund.

Dazu komme, dass Menschen bei der Orientierung an externen Zielen auch falsche Vorstellungen hätten. Margraf: “Der Durchschnittsmensch überschätzt das durchschnittliche Einkommen, die Durchschnittskörpergröße, sogar die Durchschnittsoberweite oder -penislänge. Es ist unglaublich, was alles überschätzt wird.” Die größere wahrgenommene Diskrepanz zwischen all dem und der persönlichen Realität verstärke das Risiko an einer emotionalen Störung zu leiden.

Die starke Zunahme bei der Einnahme von Psychopharmaka könne hier nicht nachhaltig gegensteuern. “Obwohl die Industrie behauptet, dass sie tolle Erfolge hat”, scheine es, als ob mehr Psychopharmaka auch zu mehr Problemen führen, so der Experte. Es gebe Hinweise, dass Medikamente oft allenfalls kurzfristige Effekte haben und auf lange Sicht sogar negative Effekte überwiegen. “Wir sind an einem Punkt, wo wir etwas tun müssen. Es kann so nicht einfach weitergehen”, erklärte Margraf.

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