Psychologen beraten über eine humanere Arbeitswelt

Der moderne Mitarbeiter ist flexibel, kann überall arbeiten und ist über Smartphone und co. total erreichbar. Für den Mitarbeiter hat der Dauerstress oft schädliche Folgen. Längst nichts Neues mehr, im Gegenteil: So ein kleiner Burn-out gehört heute fast schon dazu.

Zeit, dass sich etwas ändert, meinen Arbeits- und Organisationspsychologen. Rund 1500 von ihnen tagen deshalb beim 16. internationalen Kongress der European Association of Work and Organisational Psychology, kurz: EAWOP, an der Universität Münster. In Vorträgen und Workshops beraten die Experten darüber, wie man die Arbeitswelt humaner gestalten und den Einzelnen gegen moderne Herausforderungen wappnen kann.

Die psychologische Forschung zeigt schon lange: Stress sitzt vor allem im Kopf. Prof. Carmen Binnewies von der Uni Münster rät Mitarbeitern, sich gedanklich zu entlasten.

"Kann ich diese Gedanken vielleicht durch positive ersetzen, zu sagen, ja, das ist jetzt eine anstrengende Situation, aber es gab auch schon andere, die ich gemeistert habe, und sich da einfach so ein Stück weit rauszunehmen."

Langfristig sei vor allem wichtig, Auszeiten finden, sich zu erholen. Leichter gesagt als getan. Gerade Menschen, die von zu Hause aus arbeiten, können oft nicht abschalten. Es hilft, eine feste gedankliche Grenze zwischen dem Ende der Arbeit und dem Beginn der Freizeit zu ziehen.

"Viele räumen zum Beispiel ihren Schreibtisch auf oder man spült die Kaffeetasse ab, aber das können auch andere Sachen sein, dass man zum Beispiel ein bestimmtest Lied hört, und da geht's darum für sich selber zu überlegen, was könnte das für mich sein und das bewusster in den Alltag einzubauen, um da für sich mental so eine Grenze zu ziehen."

Eine andere Möglichkeit nennt sich Mindfulness, wird im Deutschen mit dem Begriff Achtsamkeit übersetzt und liegt voll im Trend. Es geht darum, für kurze Zeit vollständig im Hier und Jetzt zu sein. Dass das wirkt, wurde mehrfach nachgewiesen. Prof. Ute Hülsheger von der Uni Maastricht führte Achtsamkeitstrainings mit Probanden durch. Wichtig sei, sich sowohl nach außen als auch nach innen zu konzentrieren.

"Das heißt, ich nehme wahr die Geräusche, die es gibt, die Gerüche, ich nehme aber auch wahr, was ich gerade fühle, ich nehme wahr, was ich empfinde. Ein zweiter wesentlicher Aspekt von Achtsamkeit ist, dass man die Dinge so nimmt, wie sie sind, ohne sie zu bewerten."

Achtsamkeit braucht Training - dafür gibt es spezielle Programme. Aber auch Yoga, Tai Chi oder Qigong sind förderlich, sagt Prof. Hülsheger. Schon eine kurze Übung zwischendurch schafft Abhilfe. Zum Beispiel die Drei-Minuten-Atmungspause.

"Sie suchen sich einen Raum, wo Sie sich wohlfühlen, wo's ruhig ist. Sie nehmen eine entspannte Sitzhaltung ein, Sie atmen ein und atmen aus, sie spüren, wo der Atem ist, ist es eher im Bauch, spüren Sie's eher in der Nase. Sie werden dabei feststellen, dass verschiedene Gedanken auftauchen, das ist normal, und das ist auch ok, aber wir versuchen hier, immer unsere Gedanken wieder zurückzubringen auf den jetzigen Moment und auf den Atem, das heißt, sie realisieren, dass sie gerade wieder einen Gedanken hatten, aber sie lassen ihn einfach weiterziehen."

Doch auch die Arbeitgeber sollen etwas zu einer angenehmeren Arbeitswelt beitragen.
Den Stress kann ein Unternehmen nicht immer minimieren. Ratsam ist aber zum Beispiel, Mitarbeitern Freiheiten zu gewähren, denn die Forschung zeigt: Wer Arbeitszeit und Abläufe selbst anpassen kann, arbeitet lieber und produktiver. Wichtig ist außerdem, die Anerkennung vom Chef. Doch obwohl das alles ziemlich einleuchtend klingt, fühlen sich Mitarbeiter oft zu wenig geschätzt. Eine Frage drängt sich auf.

"Wie viel Einfluss meinen Sie, haben Sie da wirklich als Psychologen auf die Realität? - Sehr sehr unterschiedlich… ähm.. also es gibt ähm… - zu wenig!"

Guido Hertel, Professor an der Uni Münster und Kopf des Organisationskomitees:

"Ich glaube, dass die Psychologie im Moment noch nicht den Einfluss hat, den sie haben könnte, von dem was sie weiß und anbieten kann. Ich würde mir wünschen, dass wir stärker vom Menschen aus und von den Bedürfnissen der Menschen aus Arbeit gestalten und dadurch eben beitragen dass Arbeit einerseits motivierender und zufriedenstellender wird aber gleichzeitig eben auch gesundheitsförderlicher, sodass wir auch in späteren Jahren tatsächlich arbeiten wollen."

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